EU-Zulassungsbilanz 2022 so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr


Die Europäische Kommission hat 2022 so viele neue Arzneimittel in den Markt entlassen, wie seit fünf Jahren nicht mehr. Das ergibt sich aus einer ersten, vorläufigen Auswertung der Zulassungszahlen mit Stand 20.12.22.

EU-Kommission: Das Jahr 2022 war ein zulassungsstarkes bei den Arzneimitteln. (Photo by Christian Lue on Unsplash)

 

Von Januar bis kurz vor Jahresende hat die Europäische Kommission nach dem zentralisierten Verfahren 75 neue Arzneimittel oder Impfstoffe für den EWR (EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein) zugelassen. Das sind rund 10% mehr als im Vorjahr (68 Zulassungen). In dieser Statistik erfasst wurden neue Therapien, neue Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen sowie Biosimilars, nicht jedoch Generika. Ebenfalls mitgezählt wurden die vier 2022 zugelassenen bivalenten, an Omikron-Subvarianten angepassten COVID-19-Vakzinen Comirnaty Original/Omikron BA.1, Spikevax bivalent Original/Omikron BA.1, Comirnaty Original/Omikron BA.4-5 sowie Spikevax bivalent Original/Omicron BA.4-5.  Auch wenn diese Impfstoffe über den Weg einer Zulassungsänderung (Typ-II-Variation) der „Originale“ Comirnaty (BioNTech, Pfizer) und Spikevax (Moderna) verkehrsfähig wurden, werden sie hier wie Neuzulassungen behandelt. Schließlich handelt es sich bei ihnen um die ersten an Omikron angepassten Vakzinen.

Die Zahl von 75 Zulassungen nach den genannten Kriterien wurde zuletzt 2018 registriert. Es könnten sogar noch mehr werden, denn Mitte Dezember wartete noch 1 Empfehlung (Positive Opinion) des CHMP von September auf eine Entscheidung durch die EU-Kommission. Diese trifft ihre Entscheidung in der Regel innerhalb von 67 Tagen nach Ausfertigung der CHMP-Opinion. Sollte diese noch 2022 fallen und die Kommission sich dem Votum des CHMP anschließen, könnte der Fünfjahresrekord sogar noch leicht übertroffen werden.

Die führenden Indikationen

Zwei Drittel der Zulassungen entfallen auf die Top 5 Indikationen. Krebsarzneimittel (Antineoplastische Substanzen) führen mit 16 Zulassungen das Ranking an. Auf Platz 2 folgen Arzneimittel für das Indikationsgebiet Alimentäres System und Stoffwechsel mit 10 Zulassungen. Platz 3 gehört COVID-19-Impfstoffen und -Therapeutika mit 8 Zulassungen. Den 4. Platz teilen sich ZNS-Arzneimittel sowie Arzneimittel für Hämatologische Erkrankungen inklusive Antihämorrhagika mit jeweils 6 Zulassungen. Auf dem 5. Platz rangieren Antiinfektiva mit 4 Zulassungen. Dieses Indikationsgebiet wird in diesem Jahr ausschließlich durch antivirale Mittel vertreten. Kein neues Antibiotikum wurde 2022 zugelassen.

Sieben neue Biosimilars

Im Gesamtjahr wurden 7 Biosimilars zugelassen. Es handelt sich um jeweils ein Biosimilar der Insuline NovoMix (Truvelog Mix 30/Sanofi) und Actrapid (Inpremzia/Baxter), ein Biosimilar von Neulasta (Stimufend/Fresenius Kabi) und ein Biosimilar von Forsteo (Sondelbay/Accord), ein Biosimilar von Avastin (Vegzelma/Celltrion) und zwei weitere Biosimilars von Lucentis (Ranibizumab):  Ranivisio von Formycon/Teva sowie Ximluci von Xbrane und Stada. Bereits 2021 erhielt das Biosimilar Byooviz (Ranibizumab) von Samsung Bioepis und Biogen eine Zulassung.

Jedes Dritte neue Arzneimittel ein Orphan Drug

Von den 2022 erstmalig zugelassenen Arzneimitteln haben 23 Orphan-Drug-Status. Für diese hat der Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden (COMP) den Status zum Zeitpunkt der Zulassung bestätigt. Rechnet man die Biosimilars aus der Zulassungsbilanz heraus, entfiel 2022 ein Drittel der Zulassungen neuer Arzneimittel auf Orphan Drugs.

Dazu gehören auch diese Gentherapien:

  • Carvykti (Ciltacabtagene autoleucel) von Janssen (Lizenz von Legend). Die B-Zell-Reifungsantigen (BCMA)-spezifische CAR-T-Zell-Therapie ist indiziert für erwachsene Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom, die mindestens drei vorangegangene Therapien erhalten haben und deren Erkrankung nach der letzten Behandlung fortgeschritten ist.
  • Upstaza (Eladocagene exuparvovec) von PTC Therapeutics, zur Behandlung des Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC)-Mangels bei Patienten im Alter von 18 Monaten und älter. Die intrazerebrale Gentherapie mit einem adenoassoziierten Vektor (AAV2) ist laut EMA die erste Therapieoption für diese seltene ZNS-Störung.
  • Roctavian (Valoctocogen Roxaparvovec) von BioMarin, die erste Gentherapie für Patienten mit Hämophilie A, wie die EMA herausstellt. Und 2023 könnte mit Hemgenix (Etranacogene Dezaparvovec) von CSL Behring die erste Gentherapie für Patienten mit Hämophilie B die Zulassung erhalten. Der CHMP hat dafür im Dezember 2022 eine Positive Opinion abgegeben.

 

Für Sie zusammengefasst von Bertold Schmitt-Feuerbach, leitender Redakteur des MAA-Report.

Erhalten Sie jetzt uneingeschränkten Zugriff auf alle interessanten Artikel.
  • Online-Zugriff auf das PM-Report Heftarchiv
  • Aktuelle News zu Gesundheitspolitik, Pharmamarketing und alle relevanten Themen
  • 11 Ausgaben des PM-Report pro Jahr inkl. Specials
Mehr erfahren