AMNOG-Report 2023: Stationäre Medikamente im Blickpunkt


Die DAK gibt jährlich den AMNOG-Report heraus. Dieses Mal sind zum ersten Mal auch die Arzneimittelkosten in der Klinik analysiert worden. Vielleicht aus aktuellem Anlass wegen der geplanten Klinikreform. Wie dem auch sei: Auch in den Kliniken könnten die Ausgaben angegangen werden.

Grafik: DAK

 

Genauer heißt es im Report: „Angesichts zunehmender Zulassungen hochspezialisierter, überwiegend auch für die Krankenhausversorgung vorgesehener neuer Arzneimittel erscheint es im Sinne der Markt- und Ausgabentransparenz somit zwingend erforderlich, diese stationären Arzneimittelausgaben entgegen der bisherigen Praxis zukünftig ebenfalls in die Betrachtung mit einzubeziehen.“ Weil auch die Arzneimittel in Kliniken immer mehr Kosten verursachen.

Entwicklungen im stationären Bereich

Denn „bisherige Analysen zur Entwicklung der Arzneimittelausgaben in der GKV betrachten in der Regel nur die Arzneimittelkosten in der ambulanten ärztlichen Versorgung, während die Kosten im Krankenhaussektor weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Um das Bild zu vervollständigen, hat der AMNOG-Report auf Grundlage von Abrechnungsdaten der DAK-Gesundheit die Entwicklung der auf NUB- und Zusatzentgelte für AMNOG-Arzneimittel zurückzuführenden stationären Arzneimittelkosten in den Jahren 2017 bis 2021 untersucht.

Im Jahr 2021 betrugen diese bislang unerkannten Arzneimittelkosten GKV-weit über 1,2 Mrd. Euro, was 2,3% aller GKV-Arzneimittelkosten bzw. 4,2% aller Arzneimittelausgaben für patentgeschützte Arzneimittel entspricht. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist die Zahl der Krankenhausfälle mit abrechneten NUB- und Zusatzentgelten für AMNOG-Arzneimittel jährlich im Schnitt um 34% gestiegen.

Die dabei anfallenden Kosten sind im gleichen Zeitraum mit einem durchschnittlichen jährlichen Plus von 59% überproportional angewachsen – neben einer Mengenausweitung findet also auch eine zunehmende Kostenintensivierung der stationären Arzneimittelversorgung statt. Wird berücksichtigt, dass nicht AMNOG-bewertete sowie in DRGs aufgehende preisgünstigere Arzneimittel nicht mit in die Analyse eingeflossen sind, handelt es sich noch um eine konservative Schätzung der Arzneimittelausgaben im Krankenhaus.“

Auswirkungen des GKV-FinStG

Auf Basis aktueller Versorgungsdaten ihrer Versicherten hat die DAK-Gesundheit gemeinsam mit der Universität Bielefeld und VANDAGE eine strukturierte Analyse der finanziellen Auswirkungen der im GKV-FinStG (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) enthaltenen Maßnahmen vorgenommen. Abgeschätzt werden die Effekte der fortan rückwirkenden Geltung des Erstattungsbetrages ab dem siebten Monat nach Markteintritt, der reduzierten Umsatzschwelle für die Vollbewertung von Orphan Drugs, der Einführung eines Kombinationsabschlages sowie der neuen Leitplanken für die Verhandlung von Erstattungsbeträgen.

Das Ergebnis:

„Die Analysen … verdeutlichen, dass unter Anwendung des durch das GKV-FinStG abgesenkten Umsatzschwellenwertes in Höhe von 30 Mio. Euro in den fünf Jahren von 2017 bis 2021 zusätzlich fünf Orphan Drugs einer Vollbewertung unterzogen worden wären. Unter Anwendung verschiedener Rabattszenarien ergeben sich historische jährliche Einsparungsvolumina für die nun abgesenkte Umsatzschwelle zwischen 10,1 Mio. Euro (5%-Punkte zusätzlicher Rabatt nach Vollbewertung) und 40,5 Mio. Euro (20%-Punkte zusätzlicher Rabatt).

Um das vom Gesetzgeber avisierte Einsparziel in Höhe von 100 Mio. Euro pro Jahr zu erreichen, hätten in den vergangenen Jahren zusätzliche Preisabschläge in Höhe von 50%-Punkten vereinbart werden müssen. Zum Vergleich: Der durchschnittlich zu beobachtende zusätzliche Rabatt nach Vollbewertung liegt aktuell bei rund 12%-Punkten.“

Pauschaler Abschlag auf Erstattungsbeträge

Mit dem GKV-FinStG wird ein pauschaler Abschlag in Höhe von 20% auf die Erstattungsbeträge von in Kombination eingesetzten Wirkstoffen eingeführt. Bislang ist jedoch nicht geklärt, wie Wirkstoffkombinationen zum Zwecke der Abrechnung des Kombinationsabschlages identifiziert und von Monotherapien und Therapiesequenzen abgegrenzt werden sollen.

Analysen auf Basis von Abrechnungsdaten der DAK-Gesundheit aus den Jahren 2017 bis 2021 untersuchen für zwei umsatzstarke onkologische Indikationen (Melanom und multiples Myelom) verschiedene Ansätze zur Identifikation von Kombinationstherapien.

  • Sie zeigen, dass im Durchschnitt 70 % aller potenziellen Wirkstoffkombinationen, die zur Behandlung des Melanoms zugelassen sind, mit hoher Sicherheit, das heißt durch Abgabe am selben Tag (+1 Tag) oder innerhalb eines Krankenhausaufenthaltes, identifiziert werden können. 
  • Die Identifikation von Wirkstoffkombinationen in der Behandlung des multiplen Myeloms ist hingegen mit höherer Unsicherheit verbunden.
  • Im Durchschnitt können 55% aller in zeitlichem Zusammenhang stehenden Wirkstoffgaben mit hoher Sicherheit als Kombination identifiziert werden.
  • Wird ein zeitlicher Abstand zwischen zwei Wirkstoffgaben von bis zu 30 Tagen akzeptiert, werden vier von fünf gemeinsame Abgaben als Kombination identifiziert.
  • Die Analysen verdeutlichen somit, dass die praktische Umsetzung des neuen Kombinationsabschlages mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein kann.
  • Die potenziellen Einsparungen aus dem Abschlag liegen in den hier gewählten Beispielen im Jahr 2021 GKV-weit bei ca. 55 Mio. Euro. 

 

Einführung von Leitplanken zur Preisbildung 

  • 180 Mio. Euro Einsparpotenzial im ersten Jahr nach G-BA-Beschluss allein für erstbewertete Wirkstoffe der Jahre 2019 und 2020 
  • Drei Viertel der erstbewerteten Wirkstoffe der Jahre 2019 bis 2021 von Einschränkungen betroffen 
  • Jährliches Einsparziel des Gesetzgebers i.H.v. 150 Mio. Euro wird vermutlich deutlich übertroffen 
  • Die Modellierung der Effekte für alle erstbewerteten Wirkstoffe der Jahre 2019 bis 2021 verdeutlicht, dass die Erstattungsbetragsleitplanken potenziell eine große Reichweite besitzen.
  • Bei einem Drittel müssten die Jahrestherapiekosten der zVT um mindestens 10% unterschritten werden.
  • Insgesamt wären drei Viertel der betrachteten neugelassenen Wirkstoffe der letzten drei Jahre (bis 2021) nach ihrer Erstbewertung von einer Einschränkung durch die Leitplanken betroffen.
  • Der durchschnittliche Rabatt, der sich aus den Leitplankenvorgaben ergeben würde, liegt für die 70 betrachteten Wirkstoffe mit quantifizierbarem Leitplankenrabatt bei 44,4% und damit mehr als 50% über dem durchschnittlichen Erstattungsbetragsrabatt nach Erstbewertung.

 

Im Report lautet das Fazit:

„Es zeigt sich jedoch, dass die Leitplanken im Schnitt nur bei Arzneimitteln, die über alle bewerteten Teilpopulationen keinen belegten Zusatznutzen aufweisen, einen bedeutenden zusätzlichen Einspareffekt gegenüber dem Erstattungsbetragsrabatt realisieren würden. Das Gesamteinsparpotenzial der Leitplanken allein für die Neuzulassungen der Jahre 2019 bis 2020 beläuft sich innerhalb des ersten Jahres nach G-BA-Beschluss auf GKV-Ebene auf fast 180 Mio. Euro. Es ist daher davon auszugehen, dass das jährliche Einsparziel des Gesetzgebers von 250 bis 300 Mio. Euro deutlich übertroffen werden könnte.“

 

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