Wie wird es mit den Plattformen Facebook und Instagram ohne einen Faktencheck in den USA weitergehen? (Fragezeichen-Foto von Laurin Steffens auf Unsplash)
Seit 2016 gibt es den Faktencheck
Meta hatte im Jahr 2016 ein Faktencheck-System eingeführt und arbeitet dafür mit unabhängigen Organisationen in zahlreichen Ländern zusammen. In Deutschland z. B. mit den Nachrichtenagenturen dpa und AFP sowie dem Rechercheprojekt Correctiv, die den Wahrheitsgehalt von Inhalten überprüfen. Für Deutschland gilt für sie, dass sie (noch) weiterarbeiten können, weil der neue Kurs zunächst nur in den USA durchgezogen wird.
Ziemlich paradox: Bei der Einführung des Faktencheck-Programms betonte Zuckerberg, Fake News sollten keinen Einfluss auf Wahlen und Meinungsbildung haben. Jetzt wird er zudem Beschränkungen von Beiträgen bei den Themen Einwanderung und Gender aufheben. Und das Faktencheck-Programm sei zu fehleranfällig und habe für mehr und mehr an Unmut bei den Nutzer:innen gesorgt, wie er begründet. „Community-Notes“ sind die Alternative in Zukunft, durch die die Nutzer:innen selbst falsche oder irreführende Aussagen kennzeichnen können.
Über gelassene Stimmung bis Mahnungen in der EU
Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, sieht die Ankündigung des Faktencheck-Endes bei Meta gelassen. Auch wenn er einräumt, dass der Digital Services Act durch seine Konzeptionalisierung an seine Grenzen stoßen wird.
Die EU-Kommission warnte Meta bereits davor, das Faktencheck-Programm auf seinen Plattformen auch in Europa einzustellen. Ein Sprecher verwies auf rechtliche Vorgaben zum Schutz vor Desinformationen. Als Maßnahme können hohe Geldstrafe erlassen werden, wenn sich Meta nicht an EU-Gesetze hält.
Der sozialen Kontrolle vertrauen
Nachgefragt bei Gerrit Grunert, Managing Director CRISPY CONTENT GMBH, der kaum besorgt ist:
Die Rahmenbedingungen der sozialen Netzwerke bedingen Charakter und Qualität der Kommunikation und des Austauschs. Die Qualität und Seriosität der Interaktionen wird durch weniger Faktenchecks bei Meta weiter abnehmen. So hat sich das schon bei der Transition von Twitter zu X bemerkbar gemacht: Unsere deutschen Industrie-Kunden sind an Social-Media-Kommunikation auf X nicht mehr interessiert, sie investieren weder in Dienstleistungen noch in Werbeschaltungen, weil ihre Erwartungen an eine lohnenswerte Nutzerinteraktion nicht erfüllt werden. Und wir lesen täglich, dass sich weitere renommierte Publisher und Werbetreibende zurückziehen. Damit wird ein wichtiges Erlösmodell torpediert. Dieses Schicksal wird auch Meta blühen. Doch wohin führt das für die Nutzer?
Es gibt viele Orte im digitalen Raum, die noch viel weniger kontrolliert werden: Reddit, Telegram, Dark Web. Diese Angebote hatten nie Twitters oder Metas Anspruch Mainstream zu sein und sie werden als solche auch nicht wahrgenommen. Sie sind Echokammern für die Nische, für Subkulturen, ja, auch für Verschwörer. Wer wäre nun so verrückt, Gesundheitsinformationen auf solcherlei Plattformen für bare Münze zu nehmen? Und wer jetzt an gefährliche Gesundheitstrends wie #BudgetOzempic oder #mushroomcoffee denkt: Dieses Problem muss woanders gelöst werden, aber sicher nicht in einem Großraumbüro von Meta.
Die soziale Kontrolle, innerhalb oder außerhalb jeder Plattformen, ist stärker, als man meint, wir sollten ihr vertrauen.
Vorbild X unter Elon Musk:
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch fordert eine Prüfung von Konsequenzen auf europäischer Ebene. Gegenüber der dpa erklärte er, dass er von der EU-Kommission eine scharfe Überwachung der Einhaltung geltender Regeln erwartet. Social-Media-Plattformen dürften sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Fake News seien keine freie Meinungsäußerung, sondern „gezielte Angriffe auf unsere Demokratie“ und Zuckerberg scheine „auf einen Kurs wie Elon Musk oder Donald Trump einzuschwenken“, meinte Miersch noch.
Zur Erinnerung: Musk hatte Twitter übernommen, eine Menge Leute entlassen, die den Kurznachrichtendienst auf Hetze überprüft hat. Stattdessen schaltete Musk ehemals gesperrte rechtsextreme oder antisemitische Accounts wieder frei. Immer zahlreicher ziehen sich Medien, Politiker:innen, Organisationen, Privatpersonen oder öffentliche Personen von X zurück.
Gerrit Grunert
Managing Director CRISPY CONTENT GMBH
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