Boehringer-Ingelheim-Preis 2024


PD Dr. Christian Labenz und Dr. Andy Wing Chung Man erhalten den diesjährigen Boehringer-Ingelheim-Preis für ihre Forschungsarbeiten.

Dr. Christian Labenz und Dr. Andy Wing Chung Man forschen an Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. (Foto: Screenshot Website / PM—Report)

 

Der Boehringer-Ingelheim-Preis ist mit 30.000 Euro dotiert und geht zu gleichen Teilen an die beiden Nachwuchswissenschaftler.

Früherkennung bei neurologischen Komplikationen der Leberzirrhose

Christian Labenz ist stellvertretender Leitender Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Er hat im Rahmen einer großen Studie wichtige Erkenntnisse zur Früherkennung einer neurologischen Komplikation der Leberzirrhose gewonnen.

Ausgezeichnet wird seine im Journal of Internal Medicine publizierte Arbeit „Minimal hepatic encephalopathy is associated with a higher risk of overt hepatic en-cephalopathy and poorer survival“.  
Konkret geht es um die offensichtliche („overte“) hepatische Enzephalopathie (HE): Diese Funktionsstörung des Zentralen Nervensystems ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Komplikationen der Leberzirrhose und tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf – die Symptome reichen von Persönlichkeitsveränderungen, Desorientiertheit und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. 

Von großer Bedeutung wäre es, Risikopatient:innen für die Entwicklung einer overten HE frühzeitig entdecken und gegebenenfalls prophylaktisch behandeln zu können.  
Ein möglicher Ansatz für die Früherkennung von Risikopatient:innen könnte die Detektion der mildesten Form der HE – im Fachjargon „minimale HE“ – sein. 

Die minimale HE

Die minimale HE kann durch spezialisierte neuropsychologische Tests diagnostiziert werden: Der Goldstandard ist der sogenannte Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (PHES): Der PHES Test besteht aus fünf papierbasierten Einzeltests, bei denen die Patient:innen beispielsweise einen Zahlenverbindungstest auf Zeit absolvieren müssen.  Welche Bedeutung eine minimale HE in Bezug auf die Entwicklung einer overten HE hat, wurde bislang nicht im größeren Rahmen erforscht. 

Erstmals haben die Forschenden im Rahmen eines internationalen Konsortiums, welches durch das Cirrhose Centrum Mainz (CCM) und Dr. Labenz als Leitung angeführt wird, eine multizentrische Studie zu dieser Fragestellung konzipiert und durchgeführt. Mit insgesamt1462 Patient:innen aus acht europäischen Ländern und den USA – 500 von ihnen stammten aus dem CCM – ist es die bisher größte publizierte multizentrische Studie mit einer Langzeitbeobachtung der Patient:innen zum Thema HE.  

Zusammengefasst konnte das Forschungsteam um Labenz im Rahmen der Analysen nachweisen, dass die Testung auf das Vorliegen einer minimalen HE vor allem bei Patient:innen im intermediären Stadium der Leberzirrhose eine Vorhersage für die Entwicklung einer overten HE zulässt. Weitere Analysen zeigten, dass eine kombinierte Teststrategie bestehend aus dem leicht und überall durchführbaren Animal Naming Test, bei dem Patient:innen verschiedene Tiernamen innerhalb von einer Minute aufzählen müssen, und dem deutlich aufwendigeren PHES-Test die Prognose des Risikos weiter verbessern kann.


Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Andy Wing Chung Man


Man, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmakologie der Universitätsmedizin Mainz, erhält den Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 im Bereich theoretische Medizin für seine Arbeit „Deletion of adipocyte NOS3 potentiates high-fat diet-induced hypertension and vascular remodelling via chemerin”, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Cardiovascular Research.  

Im Mittelpunkt der Arbeit steht ein kleines Molekül mit großer Wirkung: Bereits 1992 hat die Zeitschrift Science Stickstoffmonoxid mit der chemischen Formel NO aufgrund seiner Bedeutung zum „Molekül des Jahres“ erklärt. Im Jahr 1998 folgte der Medizinnobelpreis für die Entdeckung der Rolle von NO als Signalmolekül im Herz-Kreislauf-System. 

In der Wand von Blutgefäßen wird NO hauptsächlich durch das Enzym NOS3, auch als endotheliale NO-Synthase (eNOS) bezeichnet, gebildet. Das Enzym ist benannt nach den Zellen, die die innerste Schicht der Blutgefäße bilden, den Endothelzellen, in denen es entdeckt wurde. In der Vergangenheit hat sich eNOS/NOS3 als primärer Regulator des Blutdrucks und der Gefäßfunktion in der Gefäßwand etabliert.  

NOS3 kommt jedoch nicht nur in Endothelzellen, sondern auch in anderen Zelltypen vor: etwa in den Fettzellen des weißen Fettgewebes und des perivaskulären Fettgewebes (PVAT), welches die Blutgefäße umgibt. Dabei ist Fettgewebe weit mehr als eine Ansammlung von Fettzellen, auch Blutgefäße sowie Nerven- und Immunzellen sind dort zu finden.  
Jüngste Studien, die teils auch in der Pharmakologie in Mainz durchgeführt wurden, ließen vermuten, dass NOS3 in Fettzellen, die im Fachjargon Adipozyten heißen, ebenfalls eine Rolle bei der Regulation der Gefäßfunktion im Fettgewebe spielen könnte, doch ein direkter Beweis fehlte. 

Enorme Bedeutung von NOS3

In dem Zusammenhang bekommt NOS3 eine enorme Bedeutung, da Übergewicht heutzutage eine Epidemie ist, die entscheidend zur Entstehung von Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt.  

Die Arbeit beantwortet erstmals Fragen zur spezifischen Funktion der NOS3 in Fettgewebe und liefert diesbezüglich wichtige neue Erkenntnisse. Untersucht wurden Mäuse, die kein NOS3-Enzym in Adipozyten bilden können. Die erste Erkenntnis: Fehlt NOS3 in Fettzellen, verliert das perivaskuläre Fettgewebe seine antikontraktile Funktion und die Blutgefäße können schlechter relaxieren. Ferner verhindert NOS3 in Fettzellen eine Entzündung des Gewebes, hemmt pathologische Gefäßversteifungen und Kollagenablagerungen und hält die Arterien elastisch. Schließlich reguliert NOS3 die Absonderung von Adipokinen – Verbindungen, die vermutlich für die Entstehung verschiedener Erkrankungen verantwortlich sind, die auf Übergewicht zurückzuführen sind, wie Bluthochdruck und Gefäßverengungen. 


Zusammengenommen deuten alle diese Ergebnisse darauf hin, dass die gezielte Beeinflussung des NOS3/Chemerin Systems im Fettgewebe ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für kardiometabolische Erkrankungen sein könnte, also Krankheitsbilder, die das Herz-Kreislauf-System und/oder Stoffwechselvorgänge betreffen, wie etwa die koronare Herzkrankheit.

 

Mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis werden aufstrebende wissenschaftliche Talente der Universitätsmedizin Mainz für wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen und klinischen Medizin ausgezeichnet. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird seit 1969 jährlich vergeben. Seit 1995 wird er von der Boehringer Ingelheim Stiftung dotiert. 

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