ChatGPT und Co: Wie KI-Technologien die Gesundheits- & Pharma- Industrie verändern


ChatGPT – als Vorreiter für KI-Tools im medizinischen Bereich – setzt an vielen Stellen an und wird die gesamte Gesundheitsbranche strukturell verändern. Diese strukturellen Veränderungen wirken sich unweigerlich auch auf das Pharma-Marketing aus. 

KI und ChatGPT werden die gesamte Gesundheitsbranche strukturell verändern. (Foto von Katya Ross auf Unsplash) 

Eingeschätzt von Thomas Hagemeijer, Healthcare Lead bei TLGG Consulting

ChatGPT ist kein Chatbot

Um den Hype rund um ChatGPT und KI der letzten Monate einordnen zu können, ist es entscheidend zu verstehen, wovon wir eigentlich sprechen. Die Begriffe Künstliche Intelligenz (KI), Generative AI und Machine Learning werden ebenso inflationär benutzt und teilweise falsch verstanden wie der Begriff Chatbots. Deswegen hätte es beispielsweise auch keinen Sinn ergeben, die Bedeutung von Chatbots für die Pharma-Branche am Beispiel ChatGPT zu erläutern.

ChatGPT ist kein Chatbot im herkömmlichen Sinn. Letztlich mein(t)en wir mit „Chatbot“ aber bislang einfache automatisierte Antwortsysteme, die etwa Schüsselwörter in einer Frage erkennen und diese einem überschaubaren Set an Informations- und Antwortbausteinen zuordnen. Zwar ähnelt die Handhabung des Tools durch die dialogische Art der Informationsdarstellung dem, was wir als Chatbots kennen – etwa, wenn uns auf der Website unseres Internetproviders ein Avatar in einem Pop-up-Fenster danach fragt, was unser Anliegen ist. Die Technologie hinter solchen Chatbots unterscheidet sich aber ebenso grundlegend von ChatGPT wie Größe und Qualität des ihr zugrunde liegenden Datensets und die Komplexität der Fragen, die sie verlässlich und präzise beantworten kann.

Eine andere Liga der Patient:innenansprache

Zwischen der Genauigkeit und Treffsicherheit verschiedener Chatbot-Technologien liegen Welten. ChatGPT und das zugrunde liegende GPT-Modell wurden nicht für eine Anwendung im medizinischen Bereich entwickelt, sind also nicht spezifisch auf diesen Bereich trainiert. Dennoch liefern sie bereits heute bessere Ergebnisse als der Großteil digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA), die von Mediziner:innen verschrieben werden, um beispielsweise Symptome zu dokumentieren und Krankheiten zu erkennen, oder die Patient:innen durch die Behandlung zu begleiten.

Ob solche Anwendungen ihren Zweck erfüllen, hängt maßgeblich von einer erfolgreichen Ansprache der Patient:innen ab. Je besser die Technologie die an sie gerichteten Fragen und Informationen „versteht“ und je mehr die Antworten einer menschlichen Konversation gleichkommen, desto größer  der Nutzen der Anwendung. In Sachen Ansprachekompetenz läuft ChatGPT anderen, oft aufwendig konzipierten digitalen Gesundheitsanwendungen den Rang ab. Die Neurologin und Psychotherapeutin Dr. Alexandra Widmer zitierte in den sozialen Medien eine Patientin, die sich von ChatGPT „mehr verstanden gefühlt“ habe, als von der ihr verordneten DiGA.

ChatGPT verändert Arbeitsprozesse von Mediziner:innen

Für die Gesundheitsbranche ist ChatGPT deshalb so bedeutsam, weil hier eine neue, disruptive Technologie auf einen Bereich mit diversen Pain Points und Herausforderungen trifft. Einer der prägnantesten Schmerzpunkte in Deutschland ist ohne Zweifel der zunehmende Fachkräftemangel und die hohe Arbeitslast von Ärztinnen und Ärzten, die neben der medizinischen Praxis mittlerweile zahlreiche Verwaltungsaufgaben übernehmen und für die klinische Arbeit zunehmend unter Zeitdruck geraten.

Laut einer Studie von PwC 2022 wird in Deutschland im Jahr 2035 fast jede dritte Ärzt:innenstelle nicht besetzt werden können. Und schon heute ist die Zeit, die Mediziner:innen für rein ärztliche Tätigkeiten zur Verfügung haben, begrenzt. Der MB-Monitor 2022 des Marburger Bundes beziffert den Anteil von Verwaltungstätigkeiten mit durchschnittlich drei Stunden pro Tag.

ChatGPT und die Folgen: Ableitungen für das Pharma-Marketing

Was bedeutet das für den Pharma-Bereich und das Pharma-Marketing im Speziellen? Außer Frage dürfte stehen, dass ChatGPT und Co. mehr Effizienz in die Marketingpraxis bringen. Vom Brainstorming über die Ideenentwicklung und die Generierung von Marketingtexten bis hin zur Bildgestaltung im Bereich Kreation können KI-Tools Prozesse beschleunigen und damit auch Kosten reduzieren.

Vor allem aber wird deutlich, dass ChatGPT – als Vorreiter für KI-Tools im medizinischen Bereich – an vielen Stellen ansetzt und die gesamte Gesundheitsbranche strukturell verändern wird. Diese strukturellen Veränderungen wirken sich unweigerlich auch auf das Pharma-Marketing aus. Ganz allgemein lässt sich ableiten, dass mit dem Einzug von KI-Technologien die Entscheidung für oder gegen ein Produkt oder einen Service von einem weiteren Akteur, nämlich der KI, abhängt.

Anders gesagt, verändern sich die Anforderungen und Bedürfnisse der Kernzielgruppen. Die Veränderung besteht in erster Linie darin, dass sich Arbeits- und Entscheidungsprozesse wandeln werden. So wird das Verschreiben oder die Auswahl eines Medikaments durch Ärzt:innen perspektivisch zunehmend rationaler und evidenzbasierter erfolgen (müssen). Künstliche Intelligenz bietet neue Lösungen für zentrale Schmerzpunkte von Mediziner:innen, insbesondere im Bereich Information und Entscheidungsfindung für Therapien und Medikamente.

Wenn diese künftig datengestützt passieren, treten ChatGPT und Co unweigerlich in Konkurrenz mit dem klassischen Pharma-Marketing. Es bedeutet auch, dass für Pharma-Hersteller:innen künftig ein Teil des Fokus ihrer Arbeit darauf liegen muss, sicherzustellen, dass Daten, Studienreihen etc. zu eigenen Produkten in qualitativ gut nutzbarer Form zur Verfügung stehen, damit sie überhaupt Eingang in die Betrachtung durch medizinische KI Tools finden können. 

Allein eine enge Kund:innenbeziehung zu Mediziner:innen oder eine überzeugende Kampagne reicht nicht mehr. Zukünftig gewinnen die nach rationalen Kriterien überzeugendsten verfügbaren Daten, beziehungsweise die beste Performance in aktuellen Studien.

 

Den gesamten Beitrag zum kompletten Punkt Pharmamarketing – und anderen Themen wie Mediziner:innen offen für Arbeit mit ChatGPT oder Bildung und Befähigung von Patient:innen – lesen Sie in der Sommerausgabe des PM—Report (6-7/23, ET: 29. Juni).

 

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Thomas Hagemeijer

Healthcare Lead bei TLGG Consulting

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