ChatGPT und KI: Was bedeutet das fürs Pharmamarketing?


Weiterhin dominierend in den Diskussionen: ChatGPT und KI. Doch wie sieht es mit dem Pharmamarketing aus? Wir haben bei Healthcare Expert:innen nachgefragt. 

KI in der Kommunikation: Immer mehr im Einsatz und mit vielen Möglichkeiten. (Foto von Mohamed Nohassi auf Unsplash)

 

Gestartet haben wir mit einer Link-Liste zu dem Thema, allgemein, aber natürlich auch auf Medizin und Healthcare spezialisiert. 

Doch wie sieht es mit dem Pharmamarketing aus? 

Was bedeutet dort der Einsatz von KI und ChatGPT?

Wir haben nachgefragt bei Healthcare Expertinnen und Experten aus Agenturen und Unternehmen. Herausgekommen sind interessante und interessant unterschiedliche Perspektiven.

Die Auflistung von oben nach unten bedeutet keine Priorität.

Neue Möglichkeiten, aber auch mit Risiken und Nebenwirkungen

  • Amitai Golub, Associate Partner bei McKinsey & Company und Experte für KI-Indusrialisierung im Pharma

Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet dem Pharma-Marketing neue Möglichkeiten, bringt jedoch auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich. KI, speziell GenAI, kann große Datenmengen analysieren, einschließlich CRM- und Patient:innendaten, um eine personalisierte Erfahrung für jeden Einzelnen zu schaffen. Dadurch können Pharmaunternehmen ihre Kampagnen auf individuelle Personen zuschneiden, was zu einer verbesserten Engagement und besseren Gesundheitsergebnissen führen sollte.

Beispielsweise kann im Bereich der Kampagnenerstellung GenAI dabei unterstützen, mehrere unterschiedliche Versionen der gleichen Kampagne zu erstellen, um Ärzt:innen und andere Zielgruppen über die für sie relevanten Themen und Kanäle anzusprechen.

Durch den Einsatz von GenAI-Anwendungen kann die Inhalts-Erstellung für Kampagnen teilweise automatisiert werden. So können beispielsweise erste Entwürfe von Lehrmaterialien oder Social-Media-Beiträgen mithilfe von GenAI-Anwendungen erstellt werden, um die Produktivität dier Marketingfunktion erheblich zu steigern. Innerhalb von zwei Jahren können so laut Gartner rund 30 Prozent aller Outbound-Marketing-Botschaften mit Hilfe von GenAI-Systemen entwickelt werden.

Trotz der beeindruckenden Möglichkeiten von GenAI ist die Technologie nicht fehlerfrei. Es kann vorkommen, dass GenAI fiktive Inhalte generiert und, wie bei anderen KI, hängt die Qualität der Modell-Outputs von der Qualität der Input-Daten ab. Wenn beispielsweise Verzerrungen oder Stereotypen in den Input-Daten vorhanden sind, werden sich diese auch in den Output-Daten widerspiegeln. Es ist von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass die generierten Inhalte ethischen und fairen Richtlinien für die Datenverarbeitung folgen. Datenschutz und Datensicherheit sind ebenfalls von großer Bedeutung, insbesondere im Fall von GenAI, da die Komplexität hier nochmals zunimmt.

Mehr Produktivität und bessere Ergebnisse

  • Heiko Pröger, Geschäftsführer SPIRIT LINK

Ich war zunächst der Meinung, dass die neuen KI-Tools viele Jobs in der Marketingkommunikation und in der Agenturwelt gefährden. Inzwischen denke ich, dass die neuen KI-Tools uns Pharma-Marketer nicht ersetzen werden. Vielmehr werden sie unsere Produktivität enorm steigern und für bessere Ergebnisse sorgen. Voraussetzung ist natürlich, dass wir lernen, die neuen Tools anzuwenden. Dazu gibt es bei uns in der Agentur regelmäßigen Austausch, Teams-Gruppen und Veranstaltungen. Das (menschliche) Lernen was die Anwendung künstlicher Intelligenz angeht, ist bei uns in vollem Gange.

 

Neue Freiräume und mehr Verantwortung

  • Prof. Dr. Klemens Budde, Leitender Oberarzt an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege der Plattform Lernende Systeme

Wir wissen, dass KI die Gesundheitsversorgung verbessern kann, etwa durch Analyse von Behandlungsdaten. Dieser positiven Vision stehen aber auch Bedenken gegenüber, zumal ChatGPT nun sogar einen Teil des amerikanischen Medizinerexamens besteht. Ersetzt die KI jetzt den Menschen? In der Plattform Lernende Systeme diskutieren wir über derartige Fragen interdisziplinär mit PatientInnen und Gesundheitsfachkräften. Das Zielbild ist ein verantwortlicher und evidenzbasierter KI-Einsatz, der neben medizinischem Nutzen auch neue Freiräume für die bessere Behandlung unserer PatientInnen schafft. Dazu können große Sprachmodelle beitragen, etwa wenn sie bei der Auswertung großer Literaturkorpora helfen.

 

Geistiges Ping-Pong

  • Tim A. Bohlen, geschäftsführender Gesellschafter MINDACT Consulting & Content GmbH

Chat GPT ist für uns ein Sparringspartner und ‚virtuelles Team-Mitglied‘. Die Metapher passt insofern gut, als das auch Chat GPT gewisse Dinge ‚für ein gutes Arbeiten braucht‘. Bspw. das Briefing: Je genauer ich eine Frage stelle und je präziser ich nachfrage, desto besser wird die Antwort. Chat GPT einen undurchdachten Gedanken ‘hinknallen‘ und eine gute Antwort erwarten funktioniert hier genauso wenig wie bei lebendigen Mitarbeitern. 

Auch die Opportunitätskostenbetrachtung ist entscheidend: Wir sehen immer mehr Kunden und Agenturen, die fast schon in Goldgräberstimmung sind wegen der einfachen Text-Erstellung für bspw. Social Media Posts oder SEO-Artikel. Je nach Branche – und insbesondere in der Gesundheitsbranche – kommt es jedoch auf sehr feines Austarieren von Inhalten und Botschaften an. Es geht viel um Tonalität und Nuancen – nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf fachlicher und vor allem juristischer Ebene. Unserer Erfahrung nach sind dann oft so präzise Nachbriefings nötig, sodass in der selben Zeit ein Fachredakteur ein besseres Ergebnis geleistet hätte. Wir nutzen Chat GPT vor allem für erste Brainstormings, Zusammenfassen von Themenkomplexen, erste kreative Inputs und ‚geistiges PingPong‘.

 

Medizinisches Fachwissen ist weiterhin gefragt

  • Dr. Joachim Sauer, Medical Director DP-Medsystems AG

Healthcare-Marketing per KI – braucht die Maschine (noch) den Menschen? Nichts scheint einfacher als das: Man formuliert eine Frage oder einen Befehl, gibt sie in ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) oder GPT-4 ein und erhält einen fertigen, korrekten und zielgruppengerechten KI-generierten Text – egal ob für Marketing, Medizin oder PR. Warum sollten Agenturen im Healthcare-Bereich also nicht auch auf KI zurückgreifen, um inhaltlich korrekten, textbasierten Content nahezu unbegrenzt und günstig zu produzieren?

ChatGPT kann auch in einer Agentur Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Das betrifft Ideenfindung und Konzeption genauso wie die Texterstellung. Die Fähigkeiten der KI hängen dabei auch davon ab, mit welchen Informationen sie „gefüttert“ wurde. 

Gerade im medizinischen Bereich ist ChatGPT allerdings schwach auf der Brust: Die Integration biomedizinischer Inhalte hinkt hinterher, die Aktualität lässt zu wünschen übrig – auch  beim Chatbot GPT-4 endet der Trainingsdatensatz im Jahr 2021. Und ChatGPT macht teils gravierende Fehler. So kann es passieren, dass in einem Arztbrief Untersuchungen hinzudichtet oder einem Medikament der falsche Wirkmechanismus und die falsche Indikation zugeschrieben werden. Zu allem Überdruss: Für viele Texte im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich ist ChatGPT schon allein deswegen nicht geeignet, weil das Programm keine Quellenbelege liefert.

Den Fähigkeiten der KI sind daher gerade im Healthcare-Bereich klare Grenzen gesetzt. Menschliche Intelligenz und medizinisches Fachwissen sind gefragt, um den Wahrheitsgehalt aller, vor allem aller medizinischen Aussagen zu prüfen. Das neuere GPT-4 gilt zwar als leistungsfähiger als ChatGPT, dennoch ist auch hier Vorsicht und Kontrolle angebracht.

 

Herausforderung der Unterscheidung zwischen falsch und richtig

  • Christoph Witte, Gründer und Geschäftsführer PINK CARROTS

Im Unterschied zu konventionellen Suchmaschinen verweist ChatGPT (oder auch Google-eigene Projekt „Bard“) nicht nur auf vorhandene Websites/Inhalte, sondern generiert offene, formulierte Antworten auf Basis permanenten Lernens – mit dem Ziel, menschliche Antworten genau nachzuahmen.

Positiv gesehen, und in die richtige Richtung „gelernt“, ist das ein unglaublicher Wissensschatz, eine ganz andere Ergebnisqualität als eine Standard-Suchmaschine. Komplexe Informationen und Perspektiven können zusammengefasst werden, beispielsweise für Fragen wie „erlernt man leichter Klavier oder Gitarre, und wie viel Übung braucht man dafür“.  Korrekt „gefüttert und gelehrt“, kann solch eine künstliche Intelligenz eine Menge (auch nicht mehr so) standardisierter Aufgaben abnehmen, Fragen beantworten, Kapazitäten schaffen für die Arbeit an Themen, für die man wirklich noch einen menschlichen Kopf braucht.

Doch je realistischer das Ergebnis semantisch und vermeintlich inhaltlich wird, desto schwerer wird es, Richtiges und Falsches zu unterscheiden, und da sehe ich eine große Gefahr. Wo man zum jetzigen Zeitpunkt mit etwas Hintergrundwissen von Google dargebotene Suchergebnisse noch als „Fake News“ oder gekauftes Ergebnis entlarven kann, so wird das mit Volltext-Ergebnissen ungleich schwerer – und der Schritt zum visuellen Presenter, also quasi ein virtueller Mensch, mit dem ich eine Unterhaltung führen kann, steht vor der Tür (vgl. Film „Running Man“, 1987).

So müssen wir uns, im ureigenen Interesse, auf Standards und Begrenzungen für KI-Einsätze einigen, sonst überholt sich – und uns – das Thema schnell selber und der KI-gestützte „Dr. Google“ ist dann vom netten, echten API um die Ecke im Erst-Kontakt nicht mehr zu unterscheiden.

 

Wirksamer Einsatz durch spezialisierte Talente

  • Can Yildiz, Programmatic & Data Strategy Director der Healthy Programmatic GmbH (Tochter der WEFRA LIFE Group)

ChatGPT: Chance oder Risiko für das Pharmamarketing?  Die Möglichkeiten und das Potenzial, aber auch die Herausforderungen und Gefahren von KI-Programmen wie ChatGPT sorgen mittlerweile für weitreichende Diskussionen. Welchen Einfluss hat dies auf das Pharmamarketing?

Es steht außer Frage, dass ChatGPT als KI-Tool die Kommunikation effizienter gestalten kann, jedoch nicht ohne Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit und Einhaltung von Compliance. ChatGPT dient sicherlich als ergänzendes Tool für Fachleute im Healthcare- und Pharmamarketing, erfordert jedoch spezialisierte Talente, um wirksam eingesetzt zu werden und gesetzliche Vorschriften einzuhalten.

ChatGPT könnte zukünftig die Kundenbindung verbessern – hier lauern jedoch Risiken in Bezug auf Datenschutz und Zuverlässigkeit bereitgestellter Informationen. Eine menschliche Bewertung der Ergebnisse ist daher unerlässlich. Zudem darf ChatGPT keine medizinischen Ratschläge geben, um Vertrauensverluste und Schäden für Patient:innen und Unternehmen zu vermeiden.  Als interaktiver Chatbot kann ChatGPT in der Patientenkommunikation eingesetzt werden, um beispielweise an Behandlungstermine zu erinnern oder Patient:innen-Feedback zu sammeln. In der Fachkommunikation kann ChatGPT die Erstellung vonür Schulungsunterlagen beschleunigen. Es ist jedoch auch hier wichtig, die Risiken in Bezug auf Datenschutz und Zuverlässigkeit des Informationsgehalts zu bewerten und die Zustimmung der Nutzer:innen einzuholen.

 

Chancen aktiv mitgestalten

  • Jens-Christian Jensen, Chief Strategy Officer bei Digitas Pixelpark

Nicht nur ChatGPT, sondern Generative AI im Allgemeinen bringt große Umwälzungen mit sich – wir  sind bereits mittendrin. Zwei wesentliche Aspekte sind hier zu nennen: Auf der einen Seite verändert AI erheblich, wie Marketing und (Vertriebs-)Kommunikation in Unternehmen und Agenturen entwickelt werden. Auf der anderen Seite hat AI massive Auswirkungen auf die Wertschöpfung. Auch der Wert von Arbeit muss neu definiert werden. All das gilt natürlich auch für das Pharmamarketing.

Konkrete Auswirkungen sind schon jetzt Umstellungen bei der Arbeitsweise. Bei uns werden heute schon bestimmte Arbeitsergebnisse wie Mood- und Storyboards mit Hilfe von AI erstellt. Und ChatGPT wird von uns aktiv als zusätzliches Tool für Recherchen genutzt. Und das sind nur zwei konkrete Beispiele. Daneben gibt es inzwischen aber auch Anfragen unserer Kunden, die konkretes KI-Know-how erfordern. So haben wir eine erste Kampagne auf Basis von MidJourney für ein Medizinartikelunternehmen in unserer Pipeline. Und wir bekommen aktuell Einladungen zu Pitches, in denen die Arbeit mit KI-Tools als Bedingung vorausgesetzt wird.

Parallel wächst auch das Maß, in dem sich kritisch mit KI auseinandergesetzt wird, was wir sehr begrüßen. Die Diskussion muss noch viel breiter und intensiver werden! Dabei reicht die Bandbreite von mangelhaften bis hin zu schlicht falschen Ergebnissen, die einer menschlichen Recherche nicht standhalten, bis hin zur Frage, wie KI so trainiert werden kann, dass sie die gesellschaftliche Realität in ihrer ganzen Diversität abbildet.

Alles in allem werden wir aber nicht müde, die Chancen von KI hervorzuheben, die gilt es aktiv mitzugestalten. Spannende Zeiten also!

 

Informationen zielgerichtet digitalisieren

  • Michael Nesnov, Partner von Santiago Advisors / Co-Founder & Managing Director von adago

Künstliche Intelligenz (KI) mag Komplexität – je anstrengender eine Denkaufgabe ist, desto größer ist auch der Vorteil der Anwendung von KI. In der Pharmaindustrie kann die KI daher großen Mehrwert leisten: Zum einen erfasst sie problemlos sämtliche relevanten Regularien und Restriktionen, legt diese übereinander und leitet darauf basierend Empfehlungen ab. Themen wie GxP etwa kann man einem Tool hervorragend beibringen. Zum zweiten arbeitet die KI agnostisch und zahlenbasiert. Sie liefert damit die ideale Basis für das Treffen schneller und kluger Investitionsentscheidungen. Persönliche Neigungen und Geschmäcker bleiben außen vor, es geht rein um die Erfolgswahrscheinlichkeit verschiedener Szenarien. Und gerade Finanzentscheider freuen sich über so optimierte Business Cases.

Das klingt so simpel, dass man sich fragt, warum es nicht bereits in vielen Unternehmen Standard ist. Tatsächlich haben wir die notwendige Rechenkapazität erst seit kurzem – ältere Tools können deutlich weniger leisten. Und bis heute liegt die größte Herausforderung meiner Erfahrung nach in der Verfügbarkeit der erforderlichen Daten. Gleichzeitig sehe ich hier eine große Chance: Es ist immer besser, Informationen zielgerichtet zu digitalisieren, als Daten nur um ihrer selbst willen zu sammeln. So lassen sich von Anwendungsfall zu Anwendungsfall über die künstliche Intelligenz enorme Wettbewerbsvorteile schaffen.

 

Neue Arbeitsweisen der Kommunikationsexpert:innen

  • Julian Schmittgall, CTO Schmittgall HEALTH

KI wird unsere Gesellschaft fundamental verändern, Wertevorstellungen auf den Kopf stellen und sehr, sehr schnell jedes Berufsbild beeinflussen. Und was noch vor einem Jahr kaum jemand für möglich gehalten hätte: vermeintlich sicher geglaubte Bildungsberufe werden als erste „umgekrempelt“!

Auch für das Gesundheitswesen eröffnen sich durch KI-Systeme und Chatbots enorme Möglichkeiten. Google demonstriert mit dem eben vorgestellten Med-PaLM eindrucksvoll, welche Revolution auch in der Forschung und im Gesundheitswesen bevorsteht. Ob bei der Unterstützung bürokratischer Routineaufgaben oder in der Diagnostik, Therapie und im Monitoring von Krankheiten und Patient:innen. Für chronisch überlastete Ärzt:innen verspricht die Technologie langersehnte Unterstützung und einen Schlüssel für ein effizienteres Gesundheitswesen und eine bessere Patient:innenversorgung.

Natürlich ergeben sich auch für das (Pharma-)Marketing enorme Chancen und Veränderungen durch den Einsatz der KI. Von der intelligenten Datenanalyse über die Kampagnenentwicklung bis hin zur Medienproduktion verändert sich gerade alles.

Mehr Effizienz bei der Texterstellung dank ChatGPT oder Inspiration durch Firefly- oder Midjourney-generierte Bilder geben nur einen Vorgeschmack auf neue Arbeitsweisen der Kommunikationsexpert:innen. Und ja, ich bin überzeugt davon, dass es die auch weiterhin braucht – erfahrene Kommunikationsprofis, die sich der neuen Werkzeuge bedienen, ihnen im Sparring den optimalen Output entlocken, ihn zu bewerten verstehen und in den richtigen Kontext setzen. Zukunftsangst haben muss man deshalb nicht, offen sein für Veränderung allerdings sehr wohl.

 

CRM-Bot: Der wahre Wert von KI 

  • Florian Schnappauf, Vice President, Enterprise Commercial Strategy, Veeva Europe

Während künstliche Intelligenz (KI) mit ChatGPT zunehmend im alltäglichen Gebrauch genutzt wird, ist ihr Einsatz in Branchen, die strengen Regularien unterliegen, nicht so einfach. Dazu zählt insbesondere die Life-Sciences-Industrie und hier der Bereich der Kommunikation zwischen Unternehmen und Fachkräften des Gesundheitswesens. Soll KI hier unterstützen, muss die Verarbeitung von Sprache nicht nur intelligent umgesetzt werden, sondern auch Compliance-Anforderungen erfüllen. KI kann Mitarbeitenden im Außendienst zudem helfen, Fragen zu komplexen Therapien zu beantworten, um die Interaktion noch effektiver zu gestalten. Veeva setzt sich daher dafür ein, dass KI insbesondere in diesem Bereich richtig genutzt werden kann.

Stellen Sie sich einen KI-Assistenten vor, von dem Mitarbeitende im Außendienst in kürzester Zeit spezifisch benötigte Informationen erhalten und zeitnah Gespräche mit Kunden über alle Kanäle hinweg führen können. Anschließend könnten Sie den Assistenten bitten, eine Compliance-konforme E-Mail zu schreiben. Die KI könnte auch bei der Vorbereitung eines Besuchs helfen, indem sie auf Basis vorangegangener Interaktionen und Fragen relevante Themen und Datenpunkte für den Besuch vorschlägt. Der wahre Wert von KI liegt aus unserer Sicht darin, generative KI-Technologie in einem CRM-Bot einzusetzen, der mit unternehmenseigenen Daten trainiert wird, so dass er Fragen beantworten kann, ohne dass dabei auf Präzision oder Compliance verzichtet wird.

 

Entwicklung von Chatbots, die Patienten- oder Arztanfragen 24/7 beantworten können

  • Thomas Stuke, Geschäftsführer FishermanHealth, Chief Medical Marketing Officer PEIX Health Group

Wie gut KIs arbeiten, hängt letztlich von der Qualität der Trainingsdaten ab. Sie müssen mit einer möglichst großen, qualitativ hochwertigen Datenmenge gefüttert werden. In vielen medizinischen Bereichen haben Algorithmen schon die menschlichen Fähigkeiten übertroffen, wie z. B. bei der Auswertung bildgebender Verfahren. Die KI-Systeme werden aber auch Fehler produzieren, wobei immer die Frage gestellt werden muss, wie viele Fehler ein Mensch im Vergleich produziert hätte.

Mit ChatGPT und anderen Chatbots stehen nun sogenannte Large Language Models zur Verfügung, die z. B. als Diagnosehilfen einsetzbar sind. Kürzlich hat eine US-Studie gezeigt, dass ChatGPT bei Patientenfragen sowohl in der Qualität als auch in der Emotionalität den Antworten der Ärzt:innen überlegen war. Damit gehen allerdings auch Gefahren einher. Da ChatGPT in der Zukunft voraussichtlich millionenfach von Ärzt:innen und Patient:innen genutzt werden wird, können fehlerhafte Trainingsdaten folglich zu zahllosen Fehldiagnosen oder fehlerhaften Therapievorschlägen führen. Die falsche Diagnose eines Arztes oder einer Ärztin hätte in der Regel nicht diesen multiplikatorischen Effekt.

Für das Pharmamarketing sind die Möglichkeiten einer KI ebenfalls von großer Bedeutung – z. B. für die Entwicklung von Chatbots, die Patienten- oder Arztanfragen zu Medikamenten und deren Nebenwirkungen oder zu Serviceleistungen 24/7 beantworten können. Die Chatbots müssen aus genannten Gründen sorgfältig geplant und umgesetzt werden, um etwa datenschutzrechtliche und regulatorische Anforderungen zu erfüllen. In unserem Agenturgeschäft nutzen wir schon die Möglichkeiten von Bild-KIs wie DALL-E oder Midjourney und prüfen, wie wir diese Systeme weiter in unseren Alltag integrieren können. ChatGPT ist dabei ebenfalls ein mächtiges Werkzeug, bei dem wir mittels Projektgruppen die Potenziale für unsere Arbeit ausloten und auch die Risiken abschätzen wollen. Weil sich die KI-Systeme rasant entwickeln, werden wir uns mit dem Thema weiterhin intensiv auseinandersetzen, um Schritt zu halten und die vielfältigen Möglichkeiten für uns und unsere Kunden zu nutzen.

 

KI hebt ab, sobald Rechtsrahmen für Gesundheitsdaten abgesteckt ist

  • Torsten Christann, Managing Partner, Digital Oxygen

Diskussionen um KI im (deutschen) Gesundheitssystem kranken häufig an zwei Punkten: Dem Missverständnis, dass KI gleich KI ist und der Einschätzung, dass der Einsatz von KI die Lösung für systemische Probleme wäre. Wie wird sich „KI“ also hierzulande auswirken? Kurzfristig werden wir schlicht eine Fortschreibung aktueller Trends sehen, z. B. in der diagnostischen Unterstützung durch Computer Vision KIs in der Dermatologie und Radiologie. LLMs (wie etwa ChatGPT) werden auf absehbare Zeit vor allem weiter durch Patient:innen Einsatz finden - als mehr oder minder präzise Symptomchecker und auf eigene (Datenschutz-) Verantwortung. 

Interessant wird es, sobald wir den Rechtsrahmen und Datenraum für Gesundheitsdaten (zum Training der Modelle) sinnvoll und verbindlich abgesteckt haben. Dann werden wir im Rekordtempo Durchbrüche in der Forschung (z. B. Pattern Detection oder Molekülentwicklung), Diagnostik, individualisierten Therapien und Therapie-Begleitung sehen - aber hier nur zum Teil durch allgemeine LLMs, sondern vielmehr durch jeweils spezialisierte Modelle. 

Und selbstredend: Automatisierung, z. B. im Bereich der Dokumentationspflichten für Ärzt:innen und Pflegekräfte, beim Monitoring der Patient:innen, beim Austausch von Gesundheitsdaten zwischen HCPs – kurzum: Zur Verringerung des Overheads bei gerade den Fachkräften, die wir am dringendsten suchen und die über die Maßen damit belastet sind. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das könnte man auch jetzt schon, ganz ohne KI.

 

Beschleunigung der Medikamentenentwicklung

  • Maximilian Schmidt, CEO der CPI Technologies GmbH

Künstliche Intelligenz (KI) wird künftig immer öfter Anwendung im Gesundheitswesen finden. KI-basierte Technologien tragen dazu bei, dass unter anderem bessere Diagnosen gestellt und effektivere Behandlungen entwickelt werden.

In der Pharmaindustrie können KI-Programme dazu verhelfen, die Entwicklung von Medikamenten zu beschleunigen. Durch den Einsatz von KI-basierten Prozessen können die Prozeduren effektiver und kosteneffizienter gestaltet werden.

Viele dieser Ideen stecken noch in den Kinderschuhen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht realisierbar sind. Selbstverständlich wird es auch einige Hindernisse geben. Derzeit bestehen besonders zwei Risiken für Pharmaunternehmen: Investitions- und Kontrollrisiken. Investitionen können gefährdet werden, wenn die gewünschten Ziele nicht erreicht werden. Und selbst wenn KI-Systeme reibungslos ablaufen, besteht noch immer die Gefahr vor Kontrollverlust. Mit transparenten Regulierungen kann man dieser Gefahr jedoch entgegenwirken. Auch stellt sich für die Pharmabranche die Frage, wie Behörden und Zulassungsstellen auf die Entwicklung von Medikamenten mithilfe von KI reagieren werden. Für die Vermarktung müssen die Zulassungsprozesse und -vorgaben angepasst werden.

Alles in allem hält KI für das Gesundheitswesen viel Potenzial bereit. Lediglich die Bereitschaft in den jeweiligen Branchen ist gefragt. Diese steigt aktuell stetig an und es ist zu erwarten, dass die nötige Arbeit geleistet wird, um KI-Projekte zu realisieren.

 

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