Endkunden verlangen im Informationszeitalter geradezu nach Wissen. Eine Chance für Hersteller. (Foto von Skye Studios auf Unsplash)
Produkte im Healthcare-Bereich haben es nicht leicht: Im speziellen Raum Apotheke herrschen eigene Regeln, wenn es um Wettbewerb und Kundenansprache geht. Inmitten eines Umfelds ohne kundenorientierte Produktplatzierungen oder Werbeansprüche aus einer Vielzahl verschiedener Waren auf medizinischem Niveau herauszustechen, grenzt für Hersteller an Sisyphusarbeit. Eingeordnet von Jörn Bittner.
Und auch abseits des pharmazeutischen POS gelten strenge Regeln, die viele Over-the-Counter-Brands abschrecken – teils mit der Konsequenz, überhaupt keine an Endkunden gerichteten Marketingmaßnahmen zu ergreifen. Keine personenbezogenen Daten zur Verwendung für individuelle Marketingmaßnahmen; ein herber Schlag für Marketing-Verantwortliche. Wie Medizinprodukthersteller verkaufsorientiert mit Patienten und Patientinnen kommunizieren dürfen, ohne dabei gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu verstoßen, lesen Sie hier.
Wer darf was?
Bei Werbemaßnahmen im Healthcare-Umfeld unterscheidet das Recht zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten: Werbung für Arznei ist laut EU-Recht nur deutlich eingeschränkt möglich. Für Medizinprodukte jedoch gilt ein gewisser Spielraum, abhängig davon, ob Laien oder Fachkreise zu den Adressaten gehören.
Paragraf 11 im HWG listet die genauen Voraussetzungen für die Kommunikation mit dem Endverbraucher auf. Auch die Europäische Verordnung für Medizinprodukte (MDR) und die Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) spielen hier eine Rolle.
An all diese Vorgaben müssen sich die meist kleinen Marketingteams der Branchenteilnehmer penibel halten, sonst drohen horrende Strafen. Dabei fehlen in solch eingeschränkter Größe oft die personellen Kapazitäten, um Marketing mit derart vielen unterschiedlichen Faktoren auf Expertenlevel zu betreuen.
Zu Risiken und Nebenwirkungen …
Direct-to-Consumer, oder auch kurz D2C, gilt im Online-Handel als absolutes Muss. Selbst Süßwarenhersteller oder Produzenten im FMCG-Bereich setzen mittlerweile auf den 24/7-Direktvertrieb. Auch nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte dürften auf diese Art an Konsumenten vertrieben werden. Um etablierte Handelspartner nicht zu verschrecken, scheuen jedoch viele Anbieter diesen Weg.
Apotheken gelten oft als Vermittler, denn sie stehen als Point of Sale in einer anderen Position als die Hersteller. Pharmazeuten haben jedoch auch nur überschaubare Möglichkeiten, Produkte zu bewerben, denn auch sie betreffen einige der gesetzlichen Regelungen. Dennoch bietet sich ihnen beispielsweise die Option, ihre Schaufenster individuell zu gestalten oder mit Rabatten oder Sonderangeboten zu locken.
Doch die meisten Apotheken sind eigenständig organisiert, was eine darauf ausgerichtete Kampagnenplanung für Hersteller erschwert. Große Apothekenketten sind noch heute die Ausnahme. Flächendeckend in Apothekenschaufenstern stattzufinden oder rein über diesen POS in besonderer Art und Weise Reichweite zu generieren, gestaltet sich so als äußerst aufwendig.
Info erwünscht
Endkunden verlangen im Informationszeitalter geradezu nach Wissen. Das Bedürfnis, schnell Antworten auf Fragen der Gesundheit und des Wohlbefindens zu erhalten, ist extrem gestiegen. Konsumierende erkundigen sich nicht nur beim Fachpersonal in der Apotheke, sondern recherchieren auf eigene Faust, besonders online. Brands können also selbstständig Aufklärungsarbeit leisten, zu wichtigen Fragen Auskunft geben und mit wahren Informationen Falschaussagen und Mythen zuvorkommen. Befriedigung ihrer Informationsbedürfnisse erhalten Patienten und Patientinnen über digitale Kanäle – und genau hier kann und sollte Marketing in der Gesundheitsbranche ansetzen.
Digitale Lösung
Was genau Hersteller wie kommunizieren, entscheiden Marketingteams selbst – sicherheitshalber mit rechtlich versierten Kollegen und Kolleginnen oder juristischer Unterstützung. So merzen sie einzelne Zweifel aus und kommunizieren routiniert. Das vermittelt Zielgruppen Souveränität und spiegelt sich im Brand Image wider.
Die Kanäle, über die Information in Richtung Kundschaft stattfinden können, ermöglichen, trotz gesetzlicher Vorgaben den Inhalt betreffend, unterschiedliche Marketingansätze, die aktuell kaum ein Medizinproduktehersteller ausschöpft.
Dies erreichen Unternehmen beispielsweise über ihren eigenen Online-Channel. Eine Website ist sowieso Pflicht, genauso wie Accounts im Social Web. Hier sollten Brands jedoch Vorsicht walten lassen.
Influencer-Marketing bildet eine ganz neue Disziplin und könnte bei unsachgemäß durchgeführten Kampagnen unschöne Konsequenzen nach sich ziehen – besonders, weil das Kundgetane nicht mehr in den Händen der Marke liegt, sondern in der des Content Creators. Mögliche Folgen, sowohl in Hinblick auf Image als auch auf Rechtsprechung, betreffen allerdings immer auch das Unternehmen.
Blogbeiträge auf der eigenen Website jedoch gelten als sicher, unkompliziert und warten mit hohem Informationsgehalt auf. Die Themenauswahl und die gesamte Gestaltung obliegt der Brand und kann auf aktuelle Trendthemen sowie auf klassische Sachverhalte Bezug nehmen.
Whitepaper bieten eine Möglichkeit, noch tiefer in die Materie einzusteigen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Benefit hier: Interessierte hinterlassen bei einer Downloadanfrage ihre Daten und erklären sich – mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis – dazu bereit, weiteres Material und künftige Neuigkeiten per Mail zugesendet zu bekommen. Aufgrund ihrer Interessen kristallisieren Marketingzuständige individuell passende Themen heraus, die Bezug auf ihr Produktportfolio nehmen. So erhalten Medizinproduktehersteller wertvolle Kunden-Insights und goldene Adressdaten für weiteres Informationsmarketing.
News frei Haus – empfänglich bleiben
Diese gesammelten First-Party-Daten zu Personen mit wirklichem Interesse an bestimmten Angeboten bilden in jeder Branche die wertvollste Marketingware. Und wie in jeder Branche sollten diese Daten auch hier nicht ungenutzt bleiben – sondern durch intelligente und zielführende Maßnahmen für individuelle Kundenansprachen genutzt werden. Eine hervorragende Möglichkeit, diese Informationen für alle Seiten gewinnbringend sowie sicher zu nutzen, bietet ein Newsletter.
Statt nur einmalig mit der wissbegierigen Person beispielsweise über die Website, den Blog oder das Whitepaper in Kontakt zu treten, bleiben Marken mit der Kundschaft in touch. In regelmäßigen Abständen hören Abonnenten von Neuigkeiten zu interessanten Produkten oder zu innovativen Forschungsständen und Behandlungsmethoden.
Über diese Kanäle besteht auch außerhalb von Fachkreisen die Option von Preisausschreibungen oder Verlosungen. Solche Maßnahmen erhöhen die Kundenbindung und die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Einkaufs. Eine derartige Werbung ist nur dann unzulässig, wenn sie einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leistet.
Software für Newsletter-Aktivitäten sollte einen hohen Anspruch an Datensicherheit aufweisen. Unternehmen im medizinischen Umfeld brauchen ein sensibles E-Mail-Marketing, das die Creepy Line nicht überschreitet. Die Kundschaft muss sicher sein, dass Gesundheitsdaten nicht ausgenutzt oder weitergegeben werden. Dafür liegen die Datenprofile in einem zentralen, gut gesicherten Data Hub, nicht verstreut in verschiedenen Silos.
Ebenfalls wichtig: das Thema Einwilligungserklärung. Schließlich beginnt jede Kundenkommunikation mit einer rechtskonformen Einverständniserklärung der Adressaten. Mit der Einwilligungserklärung, möglichst auch für Analytics und alle weiteren relevanten Kanäle geltend, setzen Datenverantwortliche den Startpunkt für die eigene wertvolle Reichweite und First-Party-Data in zentralen Customer-Profilen.
Die Handhabe der Einwilligungen, das Permission-Management, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt – denn Kunden und Kundinnen können jederzeit ihre Einwilligung zurückziehen – so will es die DSGVO. Damit die Erklärungen in den Profilen aktuell gehalten werden, benötigen Marketer eine Software, die das Permission-Management und mit ihr die gesamte Datensicherheit priorisiert. Nur so erreichen Medizinproduktehersteller eine rechtskonforme Reichweite mit umsatzstärkendem Outcome.
Jörn Bittner
Senior Consultant
Consultix GmbH
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