FDA-Chef Makary: Direktwerbung für Medikamente könnte bald kaum noch möglich sein


Die US-Arzneimittelbehörde FDA verschärft ihre Regeln für Medikamentenwerbung. Kommissar Marty Makary spricht von einer „öffentlichen Gesundheitskrise“.

Auf dem Bild sind Seifenblasen zu sehen.

Lauter Seifenblasen im Pharmamarketing? Geht es nach FDA-Kommissar Marty Makary dann schon. Er kritisiert: „Glossy-Szenen von lachenden, singenden und tanzenden Patienten dominieren die Spots, während im Kleingedruckten Warnungen vor Krampfanfällen, Abhängigkeit oder gar Tod vorbeihuschen. Das ist kein fairer Ausgleich, das ist Ablenkung durch Design.“ (Foto von Kind and Curious auf Unsplash) 

 

Die US-Arzneimittelbehörde FDA verschärft ihre Regeln für Medikamentenwerbung. Kommissar Marty Makary spricht von einer „öffentlichen Gesundheitskrise“ und will Schlupflöcher schließen. Die Pharmaindustrie wehrt sich.

Kritik an verzerrter Arzt-Patient-Beziehung

Die FDA hat vergangene Woche eine neue Initiative gegen irreführende Arzneimittelwerbung gestartet. FDA-Kommissar Marty Makary verteidigte den Schritt in einem Meinungsbeitrag im Fachjournal JAMA. Dort erklärte er, dass Direktwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente seit fast drei Jahrzehnten die Arzt-Patient-Beziehung „grundlegend verzerrt“ habe und inzwischen „eine öffentliche Gesundheitskrise darstellt, die sofortiges Handeln erfordert.“

Seit einer Regeländerung in 1997 dürfen Pharmaunternehmen TV- und Printanzeigen schalten, in denen sowohl Produktname als auch Anwendungsgebiet genannt werden – sofern ein „wesentlicher Hinweis“ auf die wichtigsten Risiken enthalten ist und weiterführende Informationen etwa auf einer Website zugänglich gemacht werden.

„Marketing statt evidenzbasierter Medizin“

Nach Einschätzung von Makary führte die Lockerung zu einem „Marketing-Freifahrtschein.“ Die Werbeausgaben der Branche seien innerhalb eines Jahrzehnts um fast 800% gestiegen: von 700 Mio. (1996) auf 5,4 Mrd. US-Dollar (2006). Studien zufolge habe die Direktwerbung rund 31% des Anstiegs der Arzneimittelausgaben in den USA seit 1997 verursacht. Besonders auffällig sei die Bewerbung von Präparaten mit eher geringem Nutzen, die einen um 14,3% höheren Werbeanteil hätten als hochwirksame Therapien.

„Glossy-Szenen von lachenden, singenden und tanzenden Patienten dominieren die Spots, während im Kleingedruckten Warnungen vor Krampfanfällen, Abhängigkeit oder gar Tod vorbeihuschen. Das ist kein fairer Ausgleich, das ist Ablenkung durch Design“, schrieb Makary.

Sein Fazit: „Evidenzbasierte Verschreibungsprotokolle werden durch marketinggetriebene Patientennachfrage ersetzt – unabhängig von der klinischen Angemessenheit.“

Schlupfloch soll geschlossen werden

In einem Interview mit CNBC kündigte Makary an, das seit 1997 bestehende „Schlupfloch“ schließen zu wollen. Bislang reichte es, Nebenwirkungen auf einer Website oder an anderer Stelle statt direkt in der Anzeige aufzuführen. Künftig sollen strengere Offenlegungspflichten gelten, was zu längeren und damit womöglich unwirtschaftlichen Werbespots führen könnte.

Zugleich intensiviert die FDA ihre Aufsicht. Während die Behörde Ende der 1990er-Jahre jährlich Hunderte Abmahnungen gegen irreführende Werbung verschickte, waren es 2023 nur noch eine, und 2024 gar keine. Im aktuellen Vorgehen habe die FDA bereits 108 Unterlassungsverfügungen sowie mehr als 1.500 Warnschreiben verschickt, so Makary.

Ein Schreiben vom 9. September ging an AstraZeneca wegen eines TV-Spots für den Grippeimpfstoff Flumist. Die Anzeige erwecke den Eindruck, Minderjährige könnten das Präparat selbst verabreichen, was den Zulassungsbedingungen widerspreche. Zudem erschwerten schnelle Bildwechsel und auffällige Effekte das Verständnis der Risikohinweise, so die Behörde.

Milliarden für Werbung statt für Preisnachlässe

Nach Angaben von Makary investieren Pharmaunternehmen inzwischen mehr als 10 Mrd. US-Dollar pro Jahr in Werbung, teils ein Viertel ihrer Budgets. „Wir fordern diese Firmen auf, statt einer Flut von Spots mit singenden und tanzenden Menschen das Geld dafür einzusetzen, die Medikamentenpreise für alltägliche Amerikaner zu senken. Das ist eine massive Priorität für diese Regierung und Präsident Trump“, betonte der FDA-Kommissar.

Industrie warnt vor Informationsverlust

Die Pharmaindustrie sieht den Kurs kritisch. Alex Schriver, Senior Vice President Public Affairs des Branchenverbands PhRMA, erklärte gegenüber FirstWord Pharma: „Der neue Ansatz der FDA wird es Patienten erschweren, Zugang zu wertvollen Informationen zu erhalten, die sie für ein sinnvolles Gespräch mit ihren Ärzten benötigen.“

Direktwerbung biete „faktische und forschungsbasierte Informationen, die Patienten helfen, informierte Entscheidungen über ihre Gesundheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten zu treffen.“ Wahrheitsgemäße und nicht irreführende Werbung sei durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt und habe nachweislich die Patientenaufklärung verbessert.

„Die Mitgliedsunternehmen von PhRMA verpflichten sich zu verantwortungsvoller Werbung und freuen sich darauf, sich in das geplante Regelsetzungsverfahren der FDA einzubringen“, so Schriver.

Quelle: FirstWord Pharma

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