Personalisierte Pharmakommunikation: Zwischen KI und Regulierung


Und Mut zur Relevanz? Denn Technologie allein reicht nicht. Datenqualität, regulatorische Vorgaben und die Haltung der Unternehmen entscheiden, ob Personalisierung gelingt.

Auf dem Foto ist ein stilisierter Würfel zu sehen, der transparent mit bunten Punkten versehen ist.

Am Ende entscheidet die Haltung der Pharmaunternehmen, ob Personalisierung in der HCP-Kommunikation wirklich als Service verstanden wird – oder als reine Technikübung verpufft. (Foto von Buddha Elemental 3D auf Unsplash)

KI im personalisierten Pharmamarketing: Heilsbringer oder Hype?

Personalisierte Kommunikation gilt im Pharmamarketing als Schlüssel zu mehr Effizienz, Relevanz und Vertrauen. Künstliche Intelligenz eröffnet dabei neue Möglichkeiten: von Predictive Analytics bis hin zu generativer Content-Produktion. Doch Technologie allein reicht nicht. Datenqualität, regulatorische Vorgaben und die Haltung der Unternehmen entscheiden, ob Personalisierung gelingt oder im Buzzword steckenbleibt. Fünf Expert:innen ordnen das Thema ein. 

1. KI als Motor für Relevanz, aber kein Selbstläufer


„KI kann Klarheit ins Komplexe bringen und Streuverluste zu einem Wort der Vergangenheit machen. Wenn Datenqualität und Zielgruppenakzeptanz stimmen.“

Jette Kilian und Daniel Blank (We. Communications) machen deutlich: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, das Pharmamarketing grundlegend zu verändern. Durch Predictive Analytics können Kommunikationsbedürfnisse sichtbar werden, Natural Language Processing ermöglicht eine bessere Interaktion über Chatbots und Sprachmodelle und generative KI schafft Inhalte in bisher unerreichter Geschwindigkeit.

Besonders spannend sei der Nutzen im omnipräsenten Omnichannel-Marketing: Inhalte können präzise auf Zielgruppen zugeschnitten, Feedback aus Arztgesprächen sofort in Follow-up-Kampagnen überführt und Kommunikationszeitpunkte optimal gewählt werden. Studien zeigen: Ein personalisiertes Nachfassen kann die Zahl neuer Behandlungen verdoppeln und die Zeit bis zur nächsten Terminvereinbarung deutlich verkürzen.

Doch die Expert:innen warnen auch vor Fallstricken: Ohne saubere Datenqualität, ausreichende Schulung der Mitarbeitenden und klare Datenschutzstrukturen könne KI schnell an ihre Grenzen stoßen. Skepsis in der Zielgruppe, unvollständige Daten oder ein Bias in der Datenbasis bergen Risiken. Gerade im sensiblen Gesundheitsmarkt.

2. Zwischen Regulierung und Innovation: KI im MLR-Rahmen

„Die Frage ist nicht, ob KI personalisierte Kommunikation ermöglicht. Sondern wie sie dies unter MLR-konformen Bedingungen wirtschaftlich skalierbar leistet.“

Mario Michael Schmidt (SLYHEALTH) rückt die Schnittstelle zwischen Technologie und Regulierung in den Fokus. Denn: Personalisierung scheitert selten an der KI selbst, sondern daran, wie sie mit Medical, Legal & Regulatory (MLR) zusammenspielt. Generative KI könne zwar Texte schreiben, Bilder kreieren und Prozesse beschleunigen, aber ohne dokumentierte Quellen und menschliche Validierung sei keine MLR-Freigabe möglich.

Statt MLR als Innovationsbremse zu sehen, plädiert Schmidt dafür, den Prozess als Hebel für Qualität und Sicherheit zu begreifen. KI-gestützte Kommunikation könne skalierbar funktionieren, wenn Datenstrategie, Content-Bibliotheken und Campaign Engines systematisch miteinander verzahnt sind. Der Schlüssel liege in modularen, vorgeprüften Content-Bausteinen, die KI kontextbezogen variieren kann. So lassen sich Freigabeschleifen verkürzen, Compliance gewährleisten und gleichzeitig Personalisierung auf ein neues Level heben.

Auch international eröffnen sich Chancen: KI kann helfen, globale Kampagnen effizient auf nationale Regularien anzupassen. Vorausgesetzt, Content-Frameworks sind von Beginn an modular und versioniert aufgebaut.

3. Personalisierung als Kulturleistung, nicht nur als Technik

„Personalisierte Kommunikation ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Zeichen von Respekt gegenüber der Zeit, dem Wissen und der Perspektive unserer Zielgruppen.“

Während Kilian und Blank sowie Schmidt den Fokus auf Technologien und Prozesse legen, setzen Nadine Dusberger (Omnicom Health) und Christian Haas (Credera) einen anderen Akzent: Für sie ist Personalisierung vor allem eine Haltung. Denn im privaten Umfeld sind personalisierte Angebote längst Standard. Sei es bei Netflix, TikTok oder Amazon. Diese Erwartungshaltung überträgt sich zunehmend auch auf die Kommunikation im Gesundheitswesen.

Die Beispiele aus der Praxis zeigen, wie das gelingen kann: Ein Pharmaunternehmen konnte durch datengestützte Timing-Strategien die Opt-in-Raten deutlich steigern. Ein KI-basierter Chatbot gewann Vertrauen, indem er bei unklarer Datenlage bewusst antwortete: „Das weiß ich nicht.“ Und eine lernfähige Website erhöhte Relevanz, indem sie die nächsten Informationsbedarfe antizipierte und gezielt adressierte, auch über nachgelagerte Newsletter.

Für Dusberger und Haas ist klar: Personalisierung beginnt nicht mit einem Data Lake oder dem neuesten Tool, sondern mit einer Entscheidung: Ärzt:innen und Patient:innen nicht mit generischen Inhalten abzuspeisen, sondern ihre Zeit und Perspektive ernst zu nehmen. Mutige Pilotprojekte und interdisziplinäre Zusammenarbeit seien entscheidend, um den Sprung von technischer Möglichkeit zu gelebter Relevanz zu schaffen.

Technologie, Regulierung und Haltung zusammen denken

Die drei Perspektiven machen deutlich: Personalisierte Pharmakommunikation ist keine Einbahnstraße. KI kann enorme Effizienz- und Relevanzgewinne ermöglichen, muss aber verantwortungsvoll eingesetzt werden. Regulierung ist kein Bremsklotz, sondern Garant für Sicherheit und Vertrauen. Und: Am Ende entscheidet die Haltung der Unternehmen, ob Personalisierung wirklich als Service verstanden wird oder als reine Technikübung verpufft.

Die gesamten drei Beiträge können Sie in der Augustausgabe des PM—Report lesen.

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