Arbeitsmarkt als „Türöffner“


Seit 1. September 2023 ist Dr. Damian Dudek neuer Geschäftsführer der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE. Er möchte u.a. mehr Frauen auch in die Gremien der ITG bringen.

Für Dudek ist „es jetzt wichtiger als je zuvor, Frauen prominent einzubinden, denn diese Persönlichkeiten sind die natürlichen ‚Role Models‘“.  (Foto von Kiana Bosman auf Unsplash)

Aber wie? 

Interview mit Dr.-Ing. Damian Dudek, Geschäftsführer Informationstechnische Gesellschaft (ITG) im VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.

PM—Report: Herr Dr. Dudek, Sie sehen die Krise am Arbeitsmarkt als Türöffner. Inwiefern?

Dudek: Ich würde nicht von einer Krise sprechen, denn meist wird mit den beiden Begriffen Arbeitsmarkt und Krise ein Stellenmangel und wirtschaftlicher Abschwung verbunden. Wir haben jedoch personelle Engpässe und die Wirtschaftskraft wird dann sofort wieder anziehen, wenn wir Industrie sowie Unternehmen im Allgemeinen mit neuen frischen Ideen ausgestalten. Das heißt, die Ausgangslage ist hervorragend!

Die deutsche Gesellschaft ist divers und bietet viel Entfaltungsspielraum. Also ein Spielplatz für alle, jeder wird gebraucht und kann einen signifikanten Beitrag in unserem System leisten. Leider ist das vielen, gerade jüngeren Menschen, nicht bewusst. Daher müssen wir sie aktiv einbeziehen in die aktuellen Herausforderungen und sollten ihnen auch den großen Entfaltungsspielraum hierzulande dafür aufzeigen.

Ich sehe die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt als „Türöffner“, denn soviel Gestaltungsspielraum wie heute hat es in der Vergangenheit kaum gegeben. Gut verhandelbare Einkommen, interessante Positionen mit viel Gestaltungsraum, oft flache Hierarchien, internationales Umfeld, viel Mitbestimmung, wunderbare Fortbildungen und Förderungen durch die Arbeitgeber. Nun, das ist lediglich eine Auswahl, der Vorzüge.

Neue Technologien halten nicht nur Einzug, sondern werden jetzt schon stark in der Arbeitsumgebung genutzt. Das mobile Arbeiten mach zum Teil lange Anfahrten zum Arbeitsplatz obsolet. Die Arbeitszeit kann heute deutlich effektiver genutzt werden und ist durch moderne Kommunikationstechnologien sehr flexibel gestaltbar. Vor allem ist die heutige Arbeit an vielen Stellen deutlich leichter mit Familie und Freizeit in Einklang zu bringen. Klare Trennlinien kann man kaum noch setzen und viele sehen den Beruf als Erfüllung bzw. verbinden ihre Interessen damit.   

PM—Report: Ihr Bereich der u.a. Informationstechnik deckt sich nicht ganz mit Pharma, auch wenn Informationstechnik immer wichtiger in der Pharmaforschung wird. Aber worum es geht: Sie möchten gerne für Ihre Bereiche begeistern. Wie?

Dudek: Ganz einfach, durch die Personen, die diese Tätigkeit ausführen und begeistern wollen. Glücksmomente auf Seiten junger Menschen und den Lehrenden zu erzeugen. Wie „Die Sendung mit der Maus“ nur viel häufiger, lokaler, persönlicher und getragen von einzelnen Personen, die Interesse und Lust darauf haben, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in die Breite zu tragen. In Kindergärten, Grundschulen und dann weiterführenden Schulen würde ich ansetzen und interessierte Lehrerinnen und Lehrer als Multiplikatoren informieren, mitnehmen und inhaltlich unterstützen. Diese sind offen für neue Initiativen.

Ob Digitalisierung, ob Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie, ob Mikroelektronik oder Künstliche Intelligenz, in all diesen Bereichen steckt die Elektro- und Informationstechnik. Nur wissen das ganz wenige und es geht darum aufzuklären, zu informieren, es medial aufzuarbeiten, um es sichtbar und konsumierbar zu machen. Daher bereitet der VDE derzeit eine großangelegte Imagekampagne vor. Gerne vernetzen wir uns mit dem Fachbereich Pharma an dieser Stelle, zumal es dort zunehmend Überlapp gibt in der Automatisierungstechnik oder Informationsverarbeitung.  

PM—Report: Ist es immer noch so, dass diese mehr durch Männer dominiert sind?

Dudek: Ja, leider ist das so und man kann belegen, dass das Fach Elektro- und Informationstechnik die geringste Frauenquote aufweist. Doch auch das kann geändert werden, mit wenig Aufwand. Wir in der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE haben die Initiative „Women in ITG“ aufgesetzt, um Inhalte für die Frauen im Vordergrund stehen, in die Allgemeinheit zu transportieren. Wir wollen auf das große Potenzial, d.h. die vielen motivierten, engagierten und klugen weiblichen Köpfe in der Elektro- und Informationstechnik nicht verzichten. Daher ist es jetzt wichtiger als je zuvor, Frauen prominent einzubinden, denn diese Persönlichkeiten sind die natürlichen „Role Models“.  

PM—Report: Sie möchten zudem den Weg für mehr Frauen ebnen und haben einen Kreis mit gegründet, in dem Professorinnen und Expertinnen sich vernetzen. Glauben Sie, dass das hilft?

Dudek: Ich habe hier kein Patent und auch kein Rezept für oder gegen, doch eines sollte uns klar sein: Jede Initiative und jeder Ansatz sind wichtig. Die Vernetzung im Rahmen von „Women in ITG“ hat schon begonnen und nicht weil wir damit im kleinen Rahmen damit begonnen haben, sondern, weil wir den VDE und die ITG als Plattform nutzen für mehr Sichtbarkeit und Partizipation. Frauen stehen für Inhalte und nicht für Quote!  

PM—Report: Wie erklären Sie es sich, dass Frauen sich nicht selber miteinander vernetzen?

Dudek: Doch das passiert und mir ist auch nicht bekannt, dass sie es nicht machen. Das „Vernetzen“ ist ein Aspekt, der andere ist, eine gemeinsame Plattform für eine Arbeitsumgebung zu schaffen und dann diesem Konstrukt genügenden Sichtbarkeit zu verleihen. Dafür benötigen wir Inhalte, hier in der Elektro- und Informationstechnik, die federführend von Frauen vertreten und vorangetrieben werden und Pressearbeit sowie die neuen einschlägigen Kommunikationskanäle, um das Tun dieser Persönlichkeiten in die Breite der Gesellschaft zu tragen.    

PM—Report: Was muss oder kann sich im Arbeitsmarkt ändern, damit mehr Frauen auch in typisch männliche Felder vorstoßen?

Dudek: Ich schlage vor, möglichst früh anzufangen, um den geschlechtsspezifischen Fokus bei Fachinhalten aufzuheben. D.h. bereits im Kindergarten anfangen, Talente zu sehen und zu fördern ohne eine Klassifizierung der Inhalte nach Geschlecht. Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass bereits in der Grundschule Mythen wie: „Mädchen fällt es schwieriger zu rechnen als Jungs, Jungs haben einen Hang zu handwerklichen Tätigkeiten“, „Mädchen sind gut in Rechtschreibung“ bestehen, die unbedingt beseitigt werden müssen.

Es ist ein Kraftakt für jeden in diesem System, Vorurteile abzubauen und aufzuklären. Mut machen ist hier wichtig und auch das Heranführen an neue Themen. Dafür sollten Strukturen im Bildungssystem aufgebaut werden. Sobald einmal die Begeisterung geweckt ist, müssen alle Türen geöffnet werden, denn das deutsche Bildungssystem ist vielseitig und bietet viel Flexibilität für den individuellen Werdegang.      

Zudem müssen Männer, die nicht selten an Entscheidungsstellen sitzen, sensibilisiert werden und auch über ihren Schatten springen, wenn es um Stellenbesetzung geht.

Wie Sie sehen, alles kein Hexenwerk und keine Innovation. Was wir brauchen ist: mehr Flexibilität, Sensibilität, aber vor allem Macherinnen und Macher, die Lust haben, Schwung in Berufungs- und Personalentscheidungen zu bringen.

Übrigens bringen Frauen in einen „Männerklub“ eine besondere Dynamik hinein, genauso wie Männer in einem „Frauenklub“. Ich freue mich auf „more gender and diversity“, denn die Zukunft machen wir alle!  

PM—Report: Was ist Ihr Ziel als neuer Geschäftsführer der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE?

Dudek: Wenn ich nur ein Ziel hätte, wäre ich nicht beim VDE, denn die hätten mich erst gar nicht genommen. Digitalisierung heißt bei uns Informations- und Kommunikationstechnik und da gibt es viel zu bewegen. Hier ein Auszug aus meinen aktuellen Aktivitäten und den damit verbundenen Zielen:

Herausforderung: Wie effizient und nachhaltig wird die kommende Mobilfunkgeneration 6G? Ziel: Die ITG stellt gezielt diese Frage und entwickelt in Zusammenschluss aus Akademia und Industrie einen Fahrplan.

Herausforderung: Wie wettbewerbsfähig sind wir in Deutschland auf dem Gebiet „Neuromorphic Computing?“ Ziel: Die ITG stellt sich hier prominent auf und die erste Meldung wird es hierzu bald geben.

Herausforderung: Welchen Fußabdruck hinterlassen die Förderungen der Quantentechnologie? Ziel: Aus Perspektive der Wissenschaft und Industrie möchten wir hier die aktuellen Errungenschaften mit Bezug auf informationstechnische System unter die Lupe nehmen. 

 

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Dr. Damian Dudek

Geschäftsführer Informationstechnische Gesellschaft (ITG) im VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.

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