Torsten Christann gibt Ihnen was zum Lesen zum Thema Digital Health. (Foto von Marissa Daeger auf Unsplash)
- Liebe Leser:innen des PM-Report,
an dieser Stelle kommentiere ich regelmäßig aktuelle Entwicklungen aus dem weiten Feld der „Digital Health“ in Deutschland – schön, dass Sie wieder vorbeischauen!
Noch während die Diskussion über den 2. Bericht des GKV-Spitzenverbandes über die Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen – den sogenannte „DiGA-Bericht“ – in vollem Gang war, kam der BARMER-Arzneimittel-Report 2022 zu dem Schluss, dass durch eine intelligente digitale Erfassung und Auswertung aller Arzneimittelverschreibungen nach Einschätzung der Krankenkasse Barmer jährlich bis zu 70.000 Todesfälle verhindert werden könnten.
Dies könne man z. B. mit der Etablierung eines automatischen digitalen Prozesses erreichen, der alle Therapie-relevanten Informationen von der Diagnose bis zur Medikation bei allen in die Therapie involvierten Institutionen für den einzelnen Patienten speichert. Einfach, damit diese Daten dann in den Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken zur Verfügung stünden und problemlos ausgetauscht werden können. Dieses Szenario erinnert doch stark an die elektronische Patientenakte (ePA), nicht wahr?
Der Bericht regt auch an, dass zusätzlich gewährleistet werden müsse, dass Abrechnungsdaten der Krankenkassen zur Unterstützung bei der Behandlung genutzt werden dürften – also eine Art Datenraum, auf den die Behandler:innen zugreifen könnten. Auch das klingt bekannt – aus der Diskussion um den einheitlichen europäischen Datenraum.
Durch die Einführung von ePA und einer vereinfachten Datennutzung könnten also nach dieser Einschätzung 70.000 Menschenleben gerettet werden – jedes Jahr. Da verwundert es mich doch, dass wir bei diesen Themen nicht vorankommen und auch, wie wenig öffentliche Aufmerksamkeit ich dafür wahrnehme.
Zum Vergleich: Als 1970 das Allzeithoch von 21.332 Verkehrstoten in Deutschland erreicht war, kam bald die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf Landstraßen, wenig später die 0,8 Promille-Grenze. Bis Mitte der 1980er kamen Helmpflicht und Gurtpflicht hinzu und Ende des Jahrtausends schließlich die 0,5 Promillegrenze. 2018 waren es in Deutschland schließlich „nur“ noch 3.265 Verkehrstote. Das alles waren nicht nur signifikante Eingriffe in die damaligen persönlichen Freiheitsrechte – diese Maßnahmen erforderten vor allem breite Aufklärungskampagnen und großen politischen Rückhalt, aber wir als Gesellschaft sind diesen Weg zur Vermeidung von über 21.000 Verkehrstoten gegangen – für „nur“ gut ein Drittel der durch Digitalisierung im Gesundheitswesen zu vermeidenden Todesfälle.
Ganz sicher sind die genannten Maßnahmen nicht alleine für diesen Rückgang verantwortlich. Was jedoch festzuhalten bleibt: Der erfolgreichen Verminderung von Verkehrstoten wurden und werden (vollkommen zurecht) viel politische Aufmerksamkeit und Budget gewidmet – ja, sogar die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte wird akzeptiert. Wenn nun die Aussicht besteht, durch die Digitalisierung im Gesundheitssystem jährlich mehr als dreimal so viele Menschenleben zu retten, wie auf dem traurigen Höhepunkt der Verkehrstoten-Statistik, würde ich mir ein ähnliches Maß an Elan, Umsetzungswillen und Investition wünschen – dass wir hier derart auf der Stelle treten, bezahlen wir Jahr für Jahr mit einem hohen Preis.
Digital Health bleibt in Deutschland also weiterhin spannend, wenn auch manchmal frustrierend. Wir lesen uns gerne an dieser Stelle in 14 Tagen wieder, in der Zwischenzeit atme ich ein paarmal tief durch.
Die weiteren Digital Health Notizen
- Eine Digitalisierungsstrategie für unser Gesundheitswesen
- Amazon und der Gesundheitsmarkt: Auf dem Weg zu „Prime Health“
- ChatGPT – ein Meilenstein für Digital Health?
- Erster Aufreger zu Digital Health
Torsten Christann
Partner bei Digital Oxygen GmbH
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