Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können seit zwei Jahren von Ärzt:innen verschrieben werden. An diesen entzündet sich einiges an Konfliktpotenzial, denn die Anbieter und Kassen haben unterschiedliche Perspektiven.

Was aus Sicht der Kassen eine "ideale" DiGA ist. 

Nüchterne Bilanz der Krankenkassen 

Der GKV-Spitzenverband zieht folgende Bilanz: „Die „Apps auf Rezept“ sind noch nicht in der Versorgung angekommen. Seit Anfang 2022 bewegt sich die monatliche Menge der eingelösten Freischaltcodes auf einem nahezu unveränderten Niveau zwischen 10.000 und 12.000 DiGA. Insgesamt wurden bis Ende September rund 164.000 DiGA in Anspruch genommen.“

Fehlender Nutzennachweis

Die Zahlen stammen aus einem Bericht für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis 30. September 2022. So ein großer Kritikpunkt: Bei der Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis fehlt häufig der Nachweis über den medizinischen Nutzen. Deshalb werden zwei Drittel der DiGA nur vorläufig, zur Probe, aufgenommen. Hinzu kommt die mangelnde Wirtschaftlichkeit. Herstellende Unternehmen können im ersten Jahr der Aufnahme einen beliebig hohen Preis festlegen, der von der gesetzlichen Krankenversicherung für diesen Zeitraum erstattet werden muss, unabhängig davon, ob ein Nutzen nachgewiesen wurde oder nicht. Das Preisspektrum reicht dabei von 119 Euro für eine Einmallizenz bis zu 952 Euro für 90 Tage.

Andere Perspektive der DiGA-Hersteller

Das wird von den Anbietern ganz anders gesehen. Mitte November 2022 veröffentlichte der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V. (SVDGV) folgendes Statement: „Innerhalb der letzten Monate gab es kaum Neuaufnahmen von DiGA, gleichzeitig stieg die Zahl der Streichungen aus dem DiGA-Verzeichnis. Eine Streichung bedeutet für viele DiGA-Hersteller ein Existenzrisiko: Die meisten von ihnen verfügen nicht über ausreichend Mittel, die Phase eines langwierigen und kostenintensiven Widerspruchs- und Klageverfahrens zu überbrücken. Die Folgen sind Entlassungen von Mitarbeitenden oder gar Insolvenzen.“

Der Verband sieht Nachbesserungsbedarf im Bewertungsverfahren sowohl von regulatorischer Seite als auch hinsichtlich der Umsetzung des Verfahrens durch das BfArM. Dabei werden Aspekte wie die zeitlichen Abläufe des Antragsverfahrens, Verlängerung des Erprobungsjahres und die Integration von DiGA in die Versorgung genannt.

DiGA "stecken noch in den Kinderschuhen"

Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, findet allerdings, dass „die Gesundheits-Apps auch nach über zwei Jahren noch in den Kinderschuhen stecken. Dabei sehen wir durchaus großes Potenzial, wie DiGA die Patientinnen und Patienten beim Erkennen oder Überwachen von Krankheiten unterstützen können. Die unverändert hohe Quote von DiGA auf Probe zeigt aber, dass oftmals noch offenbleibt, was die Angebote wirklich bringen. Trotz dieser unklaren Evidenzlage rufen die herstellenden Unternehmen beliebig hohe Preise auf und der gesetzlichen Krankenversicherung sind im ersten Jahr bei dieser Preisspirale nach oben die Hände gebunden. Hier sollte der Gesetzgeber schleunigst einen Riegel vorschieben…“

Die Auswertung der Kassen zeigt, dass die durchschnittliche Preishöhe von DiGA mit fehlendem Nutzennachweis deutlich steigt. Die Preisentwicklung der durchschnittlichen Herstellerpreise dauerhaft aufgenommener DiGA ist hingegen konstant bis leicht sinkend. Im Durchschnitt liegen die Herstellerpreise für eine DiGA bei 500 Euro - in der Regel für ein Quartal. Das sei eine Steigerung um nochmals 20% gegenüber dem Durchschnittswert aus dem ersten Jahr der DiGA. „Auch die zum 1. Oktober 2022 in Kraft getretenen Höchstbeträge begrenzen dieses sehr hohe Preisniveau nicht nennenswert. Vielmehr eröffnen sie den DiGA-Herstellenden auch über das erste Jahr hinaus große Spielräume für hohe Preise“, kritisiert der GKV-Spitzenverband.

Die Forderungen der Kassen

  • Damit DiGA in der Versorgung ankommen, braucht es aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes drei zentrale Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen:
  • Es dürfen ausschließlich DiGA mit einem klaren medizinischen Nutzen für die Patientinnen und Patienten aufgenommen werden. Außerdem muss das Gebot der Wirtschaftlichkeit gewahrt bleiben, indem die verhandelten Preise vom ersten Tag der Aufnahme in die Regelversorgung gelten.
  • Und es bedarf einer Harmonisierung der Rahmenbedingungen für DiGA mit anderen GKV-Leistungsbereichen, indem die Leistungserbringenden und der GKV-Spitzenverband in den Zulassungsprozess mit einbezogen werden.

 

Prompte Reaktion vom SVDGV

Nun hat sich der SVDGV zum aktuellen DiGA-Bericht positioniert. Die Kritik wird als zu "pauschal" gesehen: "So wird abermals die fehlende Evidenz von DiGA
kritisiert, ohne die strengen Zugangsvoraussetzungen für jede DiGA zu erwähnen, die bereits eine erste Studie verpflichtend machen. Es wird Kritik am ersten Jahr der Preisfreiheit und der Regelung zu Höchstbeträgen geübt, obwohl der GKV-Spitzenverband bei den Verhandlungen zu den aktuellen Regelungen eingebunden war. Nicht zuletzt ignoriert der GKV-Spitzenverband die teils erhebliche Unterversorgung in bedeutenden Versorgungsbereichen und die Realität vieler Patient:innen, indem DiGA lediglich als “Add-on” beschrieben werden. Fakt ist, dass der Status quo der Regelversorgung für viele Betroffene jedoch schon heute eine “Nicht-Versorgung” ist. DiGA schaffen hier endlich Abhilfe."

 

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