EU und Pharma


Am 9. Juni finden die Europawahlen statt. Was erwartet sich Pharma?

Die Europawahlen stehen an und jede Branche hat ihre eigene Forderungen an das neu zu wählende EU-Parlament. (Foto von Marius Oprea auf Unsplash)

Schneckentempo Reformen

Dass es in der EU nicht immer schnell vorangeht, zeigt das Beispiel der EU-Arzneimittelreform. Diese ist immer wieder nach hinten verschoben worden. Im EU-Arzneimittelpaket sind die zentralen Bestandteile ein Verordnungs- und ein Richtlinienvorschlag. Beide zielen darauf ab, den Zugang, die Bezahlbarkeit und die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Europäischen Union zu sichern und zu verbessern. Außerdem soll das Zulassungsverfahren modernisiert und eine verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung etabliert werden. Doch, dass die rund 400 Artikel nicht innerhalb der Legislaturperiode abgeschlossen werden können: Keiner hat daran geglaubt. Zumindest hat sich das Europäische Parlament am 10. April dieses Jahres auf eine Position geeinigt.

Die gemeinsame Nutzenbewertung von Gesundheitstechnologien (EU-HTA) soll ab 2025 schrittweise starten. Die EU-HTA soll die Nutzenbewertungen von Gesundheitstechnologien für Arzneimittel und Medizinprodukte harmonisieren. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/2282 am 12. Januar 2022 und bis es tatsächlich im Jahr 2025 zu den ersten europäischen Bewertungen in sogenannten Joint Clinical Assessments kommt, ist noch viel Koordinierungsaufwand notwendig. Der im Februar aktualisierte Fahrplan zur EU-HTA lässt das erkennen.

Welche Prioritäten hat die Pharmaindustrie?

Bei den Pharmaverbänden zu den Erwartungen und Prioritäten hat die Deutsche Apotheker Zeitung angefragt.

Die Antworten in der Übersicht:

  • Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), findet, dass „Europa ein Kultur- und Wirtschaftsraum ist, der viele Perspektiven und noch mehr Möglichkeiten bietet. Daraus müssen wir, und damit meine ich alle politisch denkenden Menschen, auch etwas machen.“ Herausforderungen sieht er in der europaweiten Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Europa habe aber „auch die Kraft, Impulse zu setzen“. Beispielsweise bei den neuen Modellen zur Antibiotikaforschung. In den vergangenen Jahren sind kaum neue Antibiotika auf den Markt gekommen. Um das zu ändern, sieht das EU-Pharmapaket ein Voucher-System vor. Das sieht vor, dass für die Entwicklung von bestimmten innovativen Antibiotika ein Gutschein für die Verlängerung des Unterlagenschutzes vergeben wird, der auch für ein anderes Arzneimittel eingesetzt werden kann. Steutel warnt, dass die EU „durch übertriebene Detailregelungen seine Effektivität … verlieren“ kann, wie beim EU-Pharmapaket, denn komplexe Regelungen würden „neue Probleme schaffen, ohne bekannte Probleme zu lösen.“

 

  • Pro Generika möchte, dass Europa „der Motor“ werden soll, „wenn es um eine verlässlichere Versorgung mit Generika geht.“ Geschäftsführer Bork Bretthauer fordert „mehr Tempo bei der Stärkung des Produktionsstandorts, um die geopolitische Abhängigkeit von China zu reduzieren.“ Dafür müssten Krankenkassen „diversifizierte Lieferketten in Ausschreibungen berücksichtigen und honorieren.“ Mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) sind allerdings auch neue Dokumentationsaufgaben für die Industrie verbunden. Bretthauer verlangt nach „einem Ende der stetig steigenden Auflagen und Meldepflichten.“ Engpässe werden dadurch nicht verhindert, sondern „verursachen bloß mehr Bürokratie.“

 

  • Den „hohen regulatorischen und bürokratischen Druck“ hat auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) im Blick. Dieser entstehe etwa, wenn viele Vorhaben des EU-Green-Deals umgesetzt werden und müsse „erheblich“ verringert werden, so ein BPI-Sprecher zur DAZ. Man brauche ein „Politikumfeld, das die richtigen Weichen für eine wirtschaftlich nachhaltige, innovative und patientenorientierte Versorgung mit Arzneimitteln in der EU stellt“. Neben dem Bürokratieabbau nennt der BPI hier auch die „unverzügliche Ernennung eines EU-Kommissariats, das sich speziell um die Förderung robuster Lieferketten und Wettbewerbsfähigkeit kümmert“. Ein Fokus liege zudem darin, die zukunftsweisende und sinnvolle digitale Transformation der Pharmaindustrie zu fördern.

 

  • Pharma-Deutschland (BAH) erwartet von den anstehenden Wahlen „richtungsweisende Entscheidungen, die die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärken und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie fördern.“  Der Verband fordert die zukünftigen Mitglieder des EU-Parlaments dazu auf, „sich für eine starke, gerechte und wettbewerbsfähige europäische Pharmaindustrie einzusetzen.“ Beim Pharmapaket betont der Verband, dass „ein starker und umfassender Schutz des geistigen Eigentums“ berücksichtigt wird. Für den anstehenden Trilog sollte das neue EU-Parlament seine Haltung zu neuen geplanten „bürokratischen Hürden“ überdenken. Genannt werden unter anderem geplante Verschärfungen bei der Umweltrisikobewertung und neue Verpflichtung in Zusammenhang mit den Lieferengpässen.

 

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