Krisenmodus bei Ärzt:innen


Zwischen den Tagen waren die Ärzt:innen auf Krawall gebürstet, drohen mit weiteren Praxisschließungen. Ein Überblick.

Ärzt:innen wollen anders vergütet werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reagiert nun. (Foto von Daniele D'Andreti auf Unsplash)

Rückblick in 2023

Der Virchowbund hatte seine Mitglieder im Rahmen der Aktion „Praxis in Not“ dazu aufgerufen, zwischen dem 27. und 29. Dezember Tausende Praxen aus Protest gegen die Gesundheitspolitik zu schließen.

Der Konter von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu dem Zeitpunkt: „Die Forderungen der Ärzteschaft sind bekannt, sie müssen nicht noch einmal vorgetragen werden, daher braucht jetzt nicht gestreikt werden, insbesondere wo so viele Menschen krank sind.“

Warum der Unmut?

Haus- und Fachärzt:innen und ihre Praxismitarbeiter:innen fühlen sich schon seit längerem überlastet. Gründe dafür sind zu viel Bürokratie und mangelnde Kostenerstattung. Stichwort: Budgetierung.

Das Budget für ärztliche Leistungen teilt sich auf in die Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) und Extrabudgetäre Gesamtvergütung (EGV). Der Virchowbund erklärt:

„Wenn von Budgetierung die Rede ist, dann von der MGV. Sie hat den weitaus größten Anteil am ärztlichen Honorar (ca. 70 %). Rund 20 Prozent der ärztlichen Leistung werden nicht bezahlt, weil das Budget schon ausgeschöpft ist.“ Ausgeschöpft für ein Quartal, da jede:r Versicherte:r seine Versichertenkarte pro Quartal einlesen lassen muss.

Neben dem Virchowbund fordert auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ein Ende der Budgetierung. Das Problem ist dabei zusätzlich, dass es zwischen den Fachgruppen bei der Verteilung des Gesamthonorars eine hohe Diskrepanz gibt, Kinder- und Hausärzt:innen verdienen demnach weniger als z. B. Radiolog:innen.

Lauterbach hält auf der einen Seite „die Forderung nach mehr Geld für nicht begründet.“ Auf der anderen Seite „werden wir die Entbudgetierung machen, um das jetzt mal klarzumachen, bei den Hausärzten“, bekräftigte er vor dem Treffen am Dienstag (9.1.) im ZDF-Morgenmagazin. 

Geteilte Reaktion auf die Gespräche

Die Ärzteverbände sprachen im Vorfeld von einem „Krisengipfel“, Lauterbach dagegen von einem „Austausch“.

Lauterbach war zufrieden mit der „guten Diskussion“. Geplant ist nun neben der Entbudgetierung auch grundsätzliche Änderungen bei der Vergütung. Erklärte Lauterbach: 

„Da werden Vorhaltepauschalen eine Rolle spielen, so ähnlich wie Sie das aus dem Krankenhaussektor schon kennen. Indem die Praxen, die besonders bedeutsam sind für die Versorgung, die viele Patienten versorgen, die Hausbesuche machen, die sozusagen die Versorgerpraxen sind – die werden eine Pauschale für die Vorhaltung dieser Leistung bekommen. Dann wird es für die Versorgung für Patienten darüber hinaus noch eine Jahrespauschale geben.“ 

Diese Veränderung bezeichnete der Minister als „eine große Reform. Wir verabschieden uns damit von der Quartalspauschale.“ So soll es nicht mehr darum gehen, wie oft ein Patient einbestellt werden muss, damit Praxen das volle Honorar auslösen können. Praxen sollen sich damit auf die Patient:innen konzentrieren können, die medizinisch versorgt werden müssten.

Die Entbugetierung bei den Fachärzten möchte er dagegen nicht aufheben. Der Virchowbund und sein Hauptvorsitzender Dr. Dirk Heinrich sind dementsprechend unzufrieden mit dem Krisengipfel: „Sein Versuch, einseitig die hausärztliche Versorgung zu fördern und die Fachärzte weiterhin zu ignorieren, ist ein Versuch die Ärzteschaft zu spalten und das Gesundheitssystem komplett umzubauen.“

Für Heinrich ist das Gespräch und die Zukunft der ambulanten Versorgung auf halbem Weg stehen geblieben und er sieht darin sogar den Versuch der Spaltung der Ärzteschaft.

„Wir haben gegenüber dem Bundesgesundheitsminister drei Vorschläge gemacht, wie kurzfristig auf die bestehenden Probleme reagiert werden kann: Zunächst sollte ein unterer Budgetdeckel eingeführt werden, der die Quotierung der Leistungen auf minimal 90 Prozent begrenzt. Dies kann aber nur ein Einstieg in eine vollständige Entbudgetierung sein. Alle Leistungen, die auf eine Überweisung hin erfolgen, sollen vollständig von Budgets befreit werden. Dadurch soll die hausärztliche Koordinationsleistung gestärkt werden. Zudem sollen alle Ärzte, die ihre Praxis in sozialen Brennpunkten betreiben, entbudgetiert werden. Hierfür gibt es bereits etablierte Sozialindizes, die Faktoren wie Arbeitslosenquote, Migrantenanteil oder Einkommensverhältnisse abbilden.“

„Mit dem heutigen Gesprächsergebnis sind wir jedenfalls völlig unzufrieden. Wir beobachten, dass die Wut an der Basis weiter steigt. Daher ist für uns klar, dass die Proteste weitergehen müssen, wenn nicht die gesamte ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte in den Blick genommen wird“, appelliert Heinrich. Oder droht er?

„Große Reformen für den Praxisalltag“

Das Bundesgesundheitsministerium hat mittlerweile am Mittwoch (10.1.) große Reformen für den Praxisalltag offiziell angekündigt.

 

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