
Die Wissenschaft wird umnebelt durch strikte und krasse Verbote und Einschränkungen der Trump-Regierung. (Foto von Luke Stackpoole auf Unsplash)
Aktualisierung 18. August 2025: Robert F. Kennedy Jr. als US-Gesundheitsminister: Herausforderungen für Vertrauen und Evidenz in der Gesundheitskommunikation
Mit Robert F. Kennedy Jr. steht seit 2025 eine der umstrittensten Persönlichkeiten an der Spitze des US-Gesundheitsministeriums. Bekannt für seine impfkritischen Positionen und unkonventionellen Auftritte, prägt er eine Phase, in der Vertrauen in Wissenschaft und Gesundheitskommunikation ohnehin unter Druck steht. Für die Pharmaindustrie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ihre Kommunikationsstrategien neu auszurichten.
Ein Minister zwischen Politik und Kontroversen
Die Ernennung von Robert F. Kennedy Jr. zum US-Gesundheitsminister markierte einen Wendepunkt in der amerikanischen Gesundheitspolitik. Der Jurist und Umweltaktivist, Neffe des ehemaligen Präsidenten John F. Kennedy, war über Jahre hinweg vor allem durch seine kritische Haltung zu Impfungen bekannt geworden. Seine Aussagen, die Impfstoffe mit Autismus in Verbindung brachten oder die Notwendigkeit von Standardimpfungen infrage stellten, haben ihn früh zu einer Symbolfigur impfkritischer Bewegungen gemacht.
Mit seinem Amtsantritt bringt Kennedy diese Positionen nun direkt in die Regierungsarbeit ein. Fachleute befürchten, dass damit wissenschaftlich widerlegte Behauptungen politische Legitimität gewinnen und die Impfbereitschaft in den USA weiter sinkt.
Symbolische Handlungen und ihre Wirkung
Kennedys Auftreten wird nicht nur an seinen politischen Aussagen gemessen, sondern auch an seinen persönlichen Inszenierungen. Ein Beispiel dafür ist ein im Frühjahr 2025 veröffentlichtes Foto, das ihn beim Baden mit seinen Enkeln im Rock Creek, einem städtischen Fluss in Washington, zeigt. Während die Bilder in sozialen Medien für Aufmerksamkeit sorgten, kritisierten Fachleute den Mangel an Sensibilität: Als Gesundheitsminister sende Kennedy damit ein Signal, das Hygienestandards und Sicherheitsbedenken ausblendet. Solche Symbolhandlungen verstärken Zweifel an seiner Rolle als glaubwürdiger Vermittler wissenschaftlich fundierter Empfehlungen.
Auswirkungen auf Vertrauen und Gesundheitskommunikation
Die Gesundheitskommunikation in den USA steht seit Jahren unter Druck. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Fehlinformationen in der Bevölkerung verbreitet werden können und wie schwer es ist, Vertrauen zurückzugewinnen. Vor diesem Hintergrund wirkt die Ernennung Kennedys wie eine zusätzliche Belastung. Anstatt auf eine Stärkung wissenschaftlicher Autorität zu setzen, verknüpft seine Präsenz im Kabinett politische Verantwortung mit einer kritischen Haltung gegenüber zentralen Instrumenten der öffentlichen Gesundheit.
Für viele Beobachter ist dies ein Rückschritt in einer Zeit, in der Gesundheitskommunikation komplexer wird: Neue Technologien wie mRNA-Impfstoffe, CAR-T-Therapien oder Gentherapien erfordern fundierte, vertrauensvolle Aufklärung. Wenn ausgerechnet der oberste Gesundheitsbeamte Zweifel sät, droht die Akzeptanz für Innovationen zu sinken.
Konsequenzen für die Pharmaindustrie
Für die Pharma- und Biotechnologiebranche ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung. Einerseits gilt es, das Vertrauen der Bevölkerung in wissenschaftlich geprüfte Therapien zu bewahren. Andererseits müssen Kommunikationsstrategien so gestaltet werden, dass sie den wachsenden Einfluss von Skepsis und Misstrauen auffangen.
Transparenz, stringente Faktenvermittlung und die gezielte Ansprache von Ärztinnen, Apothekern und Patienten gewinnen dabei noch mehr an Bedeutung. Auch digitale Kanäle und Social Media spielen eine zentrale Rolle: Hier gilt es, nicht nur Fehlinformationen zu begegnen, sondern aktiv vertrauensbildende Inhalte zu platzieren.
Ein Balanceakt zwischen Politik und Wissenschaft
Die Diskussion um Robert F. Kennedy Jr. macht deutlich, wie stark Gesundheitspolitik durch einzelne Persönlichkeiten geprägt werden kann. Während viele Experten seine Ernennung kritisch sehen, bleibt die entscheidende Frage, ob es den Gesundheitsinstitutionen und der Industrie gelingt, wissenschaftliche Evidenz gegenüber politisch aufgeladenen Botschaften zu behaupten.
Für die Pharmaindustrie in den USA wie in Europa ist Kennedys Wirken ein Signal: Die eigene Kommunikationsarbeit darf nicht allein auf regulatorische Vorgaben vertrauen, sondern muss proaktiv Vertrauen schaffen: durch Evidenz, durch Transparenz und durch klare Orientierung für Patienten und Fachkreise.
Quelle: Deutschlandfunk-Reihe Gesundheit made by Kennedy. Nachzuhören hier in drei Teilen.
Aktualisierung 12. August 2025: Weniger als zwei Wochen nach seinem Rücktritt übernimmt Vinay Prasad erneut die Leitung des FDA-Zentrums für Biologika.
In einer überraschenden Kehrtwende hat Vinay Prasad erneut den Posten als Direktor des „Center for Biologics Evaluation and Research“ (CBER) bei der US-Arzneimittelbehörde FDA übernommen – weniger als zwei Wochen nach seinem Rücktritt. Prasad war erst im Mai auf die Position berufen worden, um Peter Marks zu ersetzen, der im März nach Streitigkeiten mit HHS-Minister Robert F. Kennedy Jr. abgelöst worden war.
Sein schneller Abgang erfolgte Berichten zufolge auf Druck des Weißen Hauses und nach Kritik durch die rechte Aktivistin Laura Loomer. Damals erklärte ein Sprecher des US-Gesundheitsministeriums (HHS), Prasad wolle nicht von der Arbeit der FDA unter der Trump-Regierung ablenken. Nun habe die FDA ihn selbst um eine Rückkehr gebeten, hieß es.
Prasads Amtszeit fiel in eine kritische Phase: Die Behörde stand wegen ihrer Entscheidungen zur Gentherapie Elevidys (delandistrogene moxeparvovec-rokl) von Sarepta Therapeutics in der Kritik. Nach mehreren Todesfällen im Zusammenhang mit der Behandlung stoppte die FDA vorübergehend den Versand der Therapie, hob die Empfehlung jedoch weniger als eine Woche später wieder auf.
Aktualisierung 8. August 2025: 15% Zoll auf EU-Medikamente: Pharmaindustrie im Sog geopolitischer Spannungen
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird die Pharmaindustrie direkt von geopolitischen Handelsverhandlungen zwischen den USA und der EU betroffen. Am 27. Juli 2025 kündigte die US-Regierung einen Zoll von 15% auf importierte Marken-Arzneimittel aus der EU an. Laut dem Daten- und Analyseunternehmen GlobalData setzt das Abkommen die Branche erheblichen finanziellen Risiken aus – mit Folgen, die über kurzfristige Ertragseinbußen hinausgehen.
Bislang waren Arzneimittel aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit von Zöllen ausgenommen. Die neue Regelung zwingt Hersteller nun, zwischen geringeren Gewinnmargen und höheren Preisen zu wählen: beides mit möglichen Nachteilen für den Patientenzugang und die Beziehung zu Kostenträgern. Die zusätzlichen Abgaben könnten die Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette erhöhen und die Markteinführung neuer Produkte verzögern, insbesondere solcher, die in der EU gefertigt und für den US-Markt vorgesehen sind.
GlobalData-Analysten warnen zudem vor einem negativen Einfluss auf Forschung und Entwicklung. Bereits unter Druck stehende Budgets könnten gekürzt werden, um die Auswirkungen der Zölle abzufedern mit möglichen Folgen für Innovationskraft und Pipeline-Investitionen.
Einige große Pharmaunternehmen, darunter Johnson & Johnson und AstraZeneca, haben bereits in den vergangenen Monaten in US-Produktionsstätten investiert, um sich gegen mögliche Zollerhöhungen zu wappnen. Dennoch bleibe die Unsicherheit hoch, so GlobalData: Ein bisher geschützter Sektor stehe vor einem geopolitischen Wandel und sei zunehmend globalen Risiken ausgesetzt.
Aktualisierung 29. Juli 2025: Neuer EU-USA-Handelsdeal
Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten haben sich auf einen neuen Handelsdeal geeinigt, der für die pharmazeutische Industrie weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. Erstmals in der Geschichte des transatlantischen Handels wird der zollfreie Austausch von Arzneimitteln durch einen pauschalen Einfuhrzoll von 15% ersetzt. Branchenverbände und Experten sehen darin einen schweren Rückschritt, sowohl für die globale Gesundheitsversorgung als auch für den Innovations- und Produktionsstandort Deutschland.
Einigung auf pauschale Zölle – auch für Medikamente
Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll der neue Vertrag „Stabilität und Planbarkeit“ in unsicheren Zeiten schaffen. Die Vereinbarung sieht vor, dass nahezu alle EU-Exporte in die USA künftig mit einem einheitlichen Zollsatz von 15% belegt werden – darunter auch pharmazeutische Produkte, Medizinprodukte und veterinärmedizinische Erzeugnisse. Ausgenommen sind bislang nur einige Generika und bestimmte Vorprodukte, wobei die Kriterien für Ausnahmen noch unklar sind.
Die US-Seite bewertet den Abschluss positiv. US-Präsident Trump sprach von einem „Durchbruch“ und lobte die „verlässliche Partnerschaft“ mit Europa. Doch aus Sicht der europäischen Pharmaindustrie sendet der Deal ein bedenkliches Signal.
Branchenstimmen: „Tabubruch“ mit globaler Tragweite
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) bezeichnet die neue Regelung als „folgenreichen Rückschritt“. Präsident Han Steutel kritisiert:
- „Dieser Deal beendet die Errungenschaft des zollfreien Handels mit Medikamenten und belastet den Pharmastandort Deutschland mit Milliarden.“
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht den Abschluss kritisch. Vorstand Oliver Kirst warnt vor einer strategischen Belastung der Branche:
- „Dass Arzneimittel erstmals pauschal verzollt werden, offenbart die Verwundbarkeit globaler Lieferketten – mit direkten Folgen für Kosten, Versorgungssicherheit und Standortentscheidungen.“
Besondere Sorge bereitet vielen Unternehmen, dass nicht nur die direkten Zölle ins Gewicht fallen, sondern auch indirekte Effekte, etwa auf Verpackungen, Hilfsstoffe und Vorprodukte. Hinzu kommt eine neue Unsicherheit durch politische Initiativen in den USA, etwa die mögliche Einführung sogenannter „Most Favored Nation“-Preisregelungen, bei denen sich US-Preise an europäischen Preisniveaus orientieren sollen. Dies könnte die globale Preisarchitektur dauerhaft verschieben und zu einem Rückzug aus europäischen Märkten führen.
Versorgungssicherheit und Standort Europa unter Druck
Der Verband Pharma Deutschland nennt den Deal eine „verlorene Chance“ und kritisiert, dass die EU ihre frühere WTO-Position zur Zollfreiheit bei Arzneimitteln aufgegeben habe. Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann warnt:
- „Der zollfreie Austausch war ein Stabilitätsanker in der Gesundheitsversorgung. Diesen Grundsatz jetzt aufzugeben, gefährdet die Verfügbarkeit innovativer Therapien auf beiden Seiten des Atlantiks.“
Laut aktuellen Zahlen gingen 2024 rund 23% der deutschen Arzneimittelexporte – im Wert von 26 Mrd. Euro – in die USA. Umgekehrt kamen 17% der deutschen Importe aus den USA. Der neue Zollsatz trifft also den zentralen bilateralen Handelsstrom der Branche.
Appelle an die Politik
Die Pharmaverbände fordern nun gezielte politische Gegenmaßnahmen – sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene. Dazu zählen:
- Ausnahmen für strategisch wichtige Arzneimittelgruppen
- Investitionsanreize für Produktionsstandorte in Europa
- Eine aktive Handelspolitik zur Sicherung der Versorgung
- Eine klare Ablehnung preisexportierender US-Preismodelle
„Gesundheit darf kein Kollateralschaden internationaler Handelspolitik sein“, fasst BPI-Vorstand Kirst zusammen.
Aktualisierung 16. Juli 2025: Die FDA setzt auf radikale Transparenz und veröffentlicht Complete Response Letters
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat mehr als 200 Entscheidungsschreiben veröffentlicht, sogenannte Complete Response Letters (CRLs). Diese Schreiben wurden zwischen 2020 und 2024 als Antwort auf Zulassungsanträge für Arzneimittel oder biologische Produkte ausgestellt – ein „bedeutender Schritt im Rahmen der Bestrebungen der Behörde, ihre Verfahren zu modernisieren und transparenter zu gestalten“, wie die Behörde selber betont.
Durch die Veröffentlichung dieser Schreiben erhält die Öffentlichkeit erstmals Einblicke in die Entscheidungsfindung der FDA sowie die häufigsten Mängel, die Antragsteller beheben müssen, bevor eine Zulassung erteilt werden kann.
Gründe für CRLs
CRLs werden an Antragsteller verschickt, wenn die FDA eine Überprüfung abgeschlossen hat, jedoch keine Zulassung in der aktuellen Form erteilen kann. Gründe sind häufig Sicherheits- und Wirksamkeitsbedenken, Mängel in der Herstellung oder Probleme mit der Bioäquivalenz. Die Schreiben enthalten detaillierte Informationen zu den Mängeln und ggf. Empfehlungen zur Behebung.
„Viel zu lange haben Arzneimittelentwickler im Dunkeln getappt, wenn es um die FDA ging“, sagt dazu FDA-Kommissar Marty Makary, M.D., M.P.H. „Entwickler und Kapitalmärkte brauchen Planbarkeit. Heute machen wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung – mit dem Ziel, schneller wirksame Therapien zu den Patientinnen und Patienten zu bringen.“
Da die FDA bisher keine CRLs zu laufenden Anträgen veröffentlichte, wurde der wahre Hintergrund von Ablehnungen oft unvollständig oder verzerrt dargestellt, argumentiert die Behörde. Und sie beruft sich auf eine FDA-Analyse aus dem Jahr 2015: Diese ergab, dass Antragsteller in 85% der Fälle wesentliche Bedenken der FDA zu Sicherheit und Wirksamkeit verschwiegen. Wenn neue klinische Studien gefordert wurden, blieb dies in rund 40% der Fälle unerwähnt. Auch innerhalb der Branche fand kein systematischer Wissensaustausch über Nicht-Zulassungen statt, was zu wiederholten Fehlern führte.
Die jetzt veröffentlichten Schreiben beziehen sich ausschließlich auf Anträge, die später doch noch zugelassen wurden. Sie sind über das Portal openFDA zugänglich. Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Informationen wurden geschwärzt. „Die FDA plant, weitere CRLs aus ihrem Archiv zu veröffentlichen und kontinuierlich neue Wege zur Steigerung der Transparenz zu entwickeln.“
Aktualisierung 24. Juni 2025: „A lot is at stake“: Funding of US higher education
Im Interview mit dem Deutschlandfunk beschreibt Dr. Robert Kelchen, Professor und Leiter der Abteilung für Bildungsführung und Politikstudien an der University of Tennessee, Knoxville, die aktuelle Situation der US-Hochschulen als einen Risikomix aus prekären Budgets, öffentlicher Skepsis und unter Druck stehenden Verwaltungsstrukturen. Um Gegenwind zu erzeugen, müssten Hochschulen klar kommunizieren, welchen konkreten Schaden Kürzungen nach sich ziehen – und nicht nur auf Gerechtigkeit verweisen.
Mehr zum Thema im Dlf-Hörfunk-Beitrag: Gesundheitsforscher aus den USA sucht wissenschaftliches Asyl in Deutschland (4:26) zum Nachhören.
Trump kündigt tiefgreifende Maßnahmen zur Senkung von Arzneimittelpreisen an
Aktualisierung 12. Mai 2025: Am heutigen Montag (12. Mai) wird US-Präsident Donald Trump eine Executive Order unterzeichnen, die die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente in den USA um 30% bis 80% senken soll. Kernstück der Maßnahme ist die Einführung einer „Most Favored Nation“-Regelung (MFN), die vorsieht, dass die USA künftig nur noch den niedrigsten Preis zahlen, der weltweit für ein bestimmtes Medikament verlangt wird. Trump betont, dass diese Maßnahme „Fairness für Amerika“ schaffen und die hohen Medikamentenpreise in den USA im Vergleich zu anderen Ländern angleichen soll.
Trump beschleunigt US-Arzneimittelproduktion – FDA soll regulatorische Hürden abbauen
Aktualisierung 7. Mai 2025: Mit einer neuen Executive Order will Präsident Trump die Medikamentenproduktion in den USA massiv beschleunigen – durch weniger Bürokratie, mehr Investitionen und strengere Auflagen für ausländische Hersteller.
US-Präsident Donald Trump hat eine neue Executive Order unterzeichnet, die den Aufbau von Produktionskapazitäten für verschreibungspflichtige Medikamente in den USA massiv beschleunigen soll. Ziel ist es, die derzeit üblichen fünf bis zehn Jahre für den Bau neuer Produktionsstätten deutlich zu verkürzen – ein Zeitraum, den das Weiße Haus aus Gründen der nationalen Sicherheit als „inakzeptabel“ bezeichnet.
Kern des Plans ist eine Entbürokratisierung: Die US-Arzneimittelbehörde FDA wurde beauftragt, überflüssige oder doppelte Anforderungen in ihren Regularien zu streichen und Genehmigungsprozesse zu verschlanken. Künftig soll sie US-Hersteller zudem bereits in frühen Phasen neuer Projekte unterstützen.
Seit dem Amtsantritt Trumps im Januar 2025 haben mehrere Pharmakonzerne umfangreiche Investitionen in die US-Produktion angekündigt: Novartis will 23 Milliarden Dollar investieren, Eli Lilly, Roche und Johnson & Johnson sogar bis zu 55 Milliarden. AbbVie plant über die nächsten zehn Jahre Investitionen von mehr als 10 Milliarden Dollar.
Gleichzeitig sieht Trumps Anordnung schärfere Regeln für ausländische Hersteller vor. Neben höheren Gebühren für deren Zulassungsverfahren sind vermehrt unangekündigte Inspektionen geplant – ein Bruch mit der bisherigen Praxis von Vorab-Terminen im Ausland.
Die Ankündigung fällt mit dem Rücktritt von Michael Rogers zusammen, dem langjährigen Inspektionschef der FDA. Nach 34 Jahren bei der Behörde kündigte Rogers seinen Abschied an – laut internen Quellen auch im Zusammenhang mit Einsparmaßnahmen von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.
Aktualisierung 6. Juni 2025: US-Biotech warnt vor regulatorischer Bremse – Sorge um Innovationsvorsprung gegenüber China
Im Rahmen eines Roundtables der US-Arzneimittelbehörde FDA diskutierten rund zwei Dutzend Vertreter aus Biotech, Forschung und Gesundheitswesen über die Zukunft von Zell- und Gentherapien. Der Tenor: Die regulatorischen Anforderungen in den USA gelten vielen als zu starr, zu kostenintensiv und zu langsam – insbesondere im Vergleich zu China.
„Ich habe ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Zukunft von Zell- und Gentherapien in den USA“, erklärte Prof. Carl June, Pionier der CAR-T-Zelltherapie und Direktor des Center for Cellular Immunotherapies an der University of Pennsylvania. „Trotz unserer frühen Führungsrolle findet heute ein Großteil der Innovation außerhalb des FDA-Zugriffs statt.“
June wies darauf hin, dass China 2024 erstmals mehr klinische Studien zu neuen Medikamenten gestartet habe als die USA: 7.100 versus 6.000. Dies spiegele ein „effizienteres regulatorisches Umfeld“ wider. „Immer häufiger erleben wir, dass vielversprechende Therapien zuerst in China getestet werden. Der Grund: Das US-Zulassungsverfahren ist zu langsam, zu teuer und zu unflexibel.“
Als Lösung schlug June ein zweistufiges Modell nach chinesischem Vorbild vor. Demnach könnten erste Explorationsstudien nach Freigabe durch lokale Ethikkommissionen starten – die FDA würde erst bei fortgeschrittener Entwicklung einbezogen. „Das wäre keine Absenkung der Standards, sondern deren sinnvolle Anpassung.“
Auch Tom Cahill, Gründer von Newpath Partners und Mitinitiator des Forschungsinstituts Arena BioWorks, warnte vor einem Rückstand der USA: „Die regulatorische Führung der USA schwindet. In den letzten drei Jahren sind über 150 Milliarden Dollar an Biotech-Börsenwert verloren gegangen – nicht wegen schlechter Wissenschaft, sondern wegen fehlendem Vertrauen in ein intransparentes und unberechenbares Regulierungssystem.“
Laut Cahill dauern Zulassungen in China oft nur vier Jahre – in den USA hingegen bis zu zehn – und verursachen bis zu 90% weniger Kosten. „Wenn wir passiv bleiben, wird China nicht nur die Zukunft der Medizin dominieren, sondern auch Infrastruktur, Daten, Lieferketten und Standards kontrollieren.“
Er plädierte für differenzierte Anforderungen, die das Risiko und den medizinischen Bedarf stärker berücksichtigen. „Ein seltenes, unbehandeltes Kinderleiden darf nicht nach denselben Maßstäben geprüft werden wie eine gut versorgte Indikation mit geringem Risiko.“ Statt Deregulierung gehe es um „disziplinierte Modernisierung“: „Ein System, das mit dem Tempo der Wissenschaft mithalten kann, ohne die Sicherheit zu gefährden.“
Auch Robert F. Kennedy Jr., US-Gesundheitsminister, signalisierte Reformbereitschaft: „Wir wollen regulatorische Hürden abbauen, die die Markteinführung neuer Therapien verhindern. Gemeinsam mit der FDA suchen wir nach Wegen, Genehmigungen für Behandlungen seltener Krankheiten zu beschleunigen und die USA zum Zentrum biotechnologischer Innovation zu machen.“
Kennedy bat die Runde um eine Liste konkreter Regulierungsvorschriften, die reformiert oder abgeschafft werden sollten. „Wir werden sie prüfen und alles tun, um hinderliche Regeln zu streichen, hilfreiche einzuführen – und Ihnen die nötige Finanzierung zu sichern.“
„Die Professoren sind der Feind“
US-Forscher:innen sind sich sicher: Es geht um Denk- und Forschungsverbote, um die Kontrolle über die Wissenschaft in den USA zu erlangen. Man denke nur an die Aussage von US-Vizepräsident J.D. Vance, der findet, dass „die Professoren der Feind sind.“
Dazu gibt es ein Wissensschafts-Special im Deutschlandfunk: Trump gegen die Wissenschaft (26:33). Das können Sie sich hier anhören.
Alleine schon sind ca. 200 Begriffe gestrichen worden, die u.a. bei Anträgen auf Forschungsgelder nicht enthalten sein dürfen: wie „Frauen“. Eine Gynäkologin, die im Bereich der Brustkrebsforschung tätig ist, ist verzweifelt, weil sie so gar keine Berichte oder über Studienergebnisse schreiben kann, wenn sie das Nomen Frauen nicht verwenden darf.
Forschende wollen sich das nicht bieten lassen. Sie fordern nicht nur zusätzliche Mittel für die wissenschaftliche Forschung, sondern auch Initiativen für Diversität und Inklusion müssen wieder in Kraft gesetzt werden. Außerdem: Die Politik soll sich nicht länger in die Wissenschaft einmischen. Dafür sind sie am Wochenende unter dem Motto Stand up for Science auf die Straße gegangen.
Was bedeutet das für die globale Forschung?
Denn eines ist klar: Der systematische Abbau von Fördermitteln, die Kündigung von Fachkräften und die Einschränkung wissenschaftlicher Begrifflichkeiten gefährden nicht nur die Innovationskraft der USA, sondern beeinflussen auch internationale Kooperationen und den weltweiten Fortschritt in Forschung und Entwicklung.
Und: Die Streichung von Forschungsgeldern in den USA betrifft neben den Universitäten und Forschungsinstituten auch Pharmaunternehmen. Weniger Mittel bedeuten nicht nur weniger Innovation, sondern auch einen Exodus hoch qualifizierter Wissenschaftler:innen, die sich gezwungen sehen, ins Ausland abzuwandern. Dies könnte den wissenschaftlichen Einfluss der USA langfristig schwächen und andere Länder wie China oder Deutschland dazu ermutigen, ihre eigenen Forschungsprogramme gezielt auszubauen.
Einschub: Abbau der Stellen in den Gesundheitsbehörden beginnt
Seit Dienstag (1. April 2025) ist es nun wirklich so weit: Die Trump-Administration setzt die Pläne zur Streichung von 10.000 Vollzeitstellen in den Gesundheitsbehörden um. Und zwar im gesamten amerikanischem Gesundheitsministerium (HHS | Department of Health and Human Services), einschließlich der FDA. Dort betrifft das vor allem das Office of New Drugs, das Office of Policy & International Engagement und das hier gesamte Office of Media Affairs. Die FDA wird wahrscheinlich 3.500 Mitarbeiter:innen verlieren.
Insgesamt ist eine Verkleinerung der Gesundheitsbehörden von 82.000 auf 62.000 Mitarbeitenden geplant. Neben den 10.000 Entlassungen sollen weitere 10.000 durch Vorruhestand und freiwillige Abfindungen abgebaut werden.
Die Entlassungen kommen unmittelbar nach der unerwarteten Entlassung von Peter Marks, dem Direktor des FDA-Zentrums für Biologika-Evaluierung und -Forschung (CBER), am Freitag (28.3.25). Dessen Abgang durch HHS-Minister Robert F. Kennedy Jr. löste am Montag einen massiven Ausverkauf am Biotech-Markt aus.
So sind Impfstoffentwickler bisher besonders hart betroffen: BioNTech und Moderna verloren jeweils rund eine Milliarde US-Dollar an Wert. Unternehmen, die auf beschleunigte Zulassungsverfahren angewiesen sind, darunter PTC Therapeutics, Sarepta Therapeutics und Vertex Pharmaceuticals, haben ebenfalls Kursverluste verzeichnet, da die Zukunft solcher Programme ohne Marks' Engagement höchstwahrscheinlich auf der Kippe stehen.
Konsequenzen für die internationale Zusammenarbeit
Die Wissenschaft lebt vom offenen Austausch über Ländergrenzen hinweg. Wenn jedoch US-amerikanische Forscher:innen ihre Projekte nicht mehr in der gewohnten Weise durchführen oder über bestimmte Themen wie geschlechterspezifische Gesundheitsforschung nicht mehr ungehindert forschen dürfen, könnte dies internationale Kollaborationen erschweren. Andere Forschungseinrichtungen könnten sich gezwungen sehen, alternative Partner außerhalb der USA zu suchen. Dies würde bestehende Netzwerke destabilisieren und möglicherweise zu einer Umverteilung der Forschungszentren führen.
Konsequenzen für die Pharmaindustrie
Für Pharmaunternehmen bedeutet der wissenschaftliche Rückgang in den USA einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Viele große Konzerne sind auf Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen angewiesen, um neue Medikamente zu entwickeln. Werden diese Grundlagen eingeschränkt, könnte dies den gesamten Innovationsprozess verlangsamen. Zudem könnte die restriktive Sprachpolitik in Studienanträgen dazu führen, dass essenzielle Themen wie geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin unter den Tisch fallen – mit potenziell gravierenden Folgen für die Entwicklung personalisierter Therapien.
Einschub: David A. Ricks, Lilly-CEO, warnt vor Einführung von Arzneimittelzöllen
Eli Lilly-CEO David Ricks warnte, dass Arzneimittel zwar von der jüngsten Zollrunde von US-Präsident Donald Trump ausgenommen seien, die Aussetzung jedoch nur vorübergehend sei. Sollten die Zölle tatsächlich eintreten, würden sie sich höchstwahrscheinlich in einer Verringerung der Forschung an neuen Medikamenten niederschlagen. Ricks sagte ganz klar gegenüber der BBC: „Wir unterstützen Zölle nicht, um es klar zu sagen. Ich denke, es handelt sich um einen Wendepunkt in der US-Politik, und es wird schwer sein, davon wieder wegzukommen.“
Ricks befürchtet, dass die Zölle auf Lilly auf andere Bereiche abgewälzt würden, da die Arzneimittelpreise in Europa und den USA im Wesentlichen gedeckelt seien:
„Wir können diese Vereinbarungen nicht brechen, also müssen wir die Kosten der Zölle tragen und innerhalb unserer eigenen Unternehmen Kompromisse eingehen. Typischerweise wird das zu Personalabbau oder einem Abbau von Forschung und Entwicklung (F&E) führen, und ich gehe davon aus, dass F&E an erster Stelle stehen wird. Das ist ein enttäuschendes Ergebnis.“
Im Februar kündigte Lilly an, weitere 27 Mrd. US-Dollar in den Ausbau der eigegen Arzneimittelproduktion in den USA zu investieren. Der Bau von vier neuen Fabriken soll rund 3000 neue Arbeitsplätze schaffen. Ricks erklärte zu dem Zeitpunkt, der Optimismus hinsichtlich der Produktpipeline versetze Lilly in die Lage, die heimische Produktion wiederzubeleben und so die Exporte von in den USA hergestellten Medikamenten zu steigern.
Ricks sagte gegenüber der BBC: „Die Produktion ist stark außerhalb der USA angesiedelt. Ich denke, die Regierung will damit beides: Wir wollen die Produktionsmittel und die Generierung von geistigem Eigentum für Forschung und Entwicklung.“ Lilly baut derzeit eine neue Produktionsstätte in Irland. Ricks möchte diese 800-Millionen-Dollar-Investition wie geplant durchgeführen. „Es gibt eine große Nachfrage außerhalb der USA, daher müssen wir den Warenfluss im Auge behalten, da wir keine unnötigen Zölle zahlen wollen. Aber ich denke, im Moment ist das in Ordnung.“
(Quelle: FirstWord PHARMA)
Einschub: US-Zölle auf Arzneimittel: Trump-Regierung erhöht Druck auf internationale Pharmaproduktion
Die US-Regierung bereitet Zölle auf Arzneimittelimporte vor. US-Handelsminister Howard Lutnick kündigte am Sonntag (13.4.25) an, dass entsprechende Maßnahmen „in den nächsten ein bis zwei Monaten“ in Kraft treten sollen. Ziel sei es, die inländische Produktion pharmazeutischer Produkte zu stärken.
„Wir können uns bei lebenswichtigen Gütern wie Medikamenten nicht auf China verlassen“, sagte Lutnick gegenüber ABC News. Gemeinsam mit Halbleitern zählten Pharmazeutika künftig zu den „Kerngütern der nationalen Sicherheit“, die durch ein neues Zollmodell geschützt werden sollen. Auch Präsident Donald Trump bekräftigte zuletzt mehrfach, dass Zölle ein zentrales Instrument seien, um US-Unternehmen zur Rückverlagerung ihrer Produktion zu bewegen. „Je höher der Zoll, desto schneller kommen sie zurück“, sagte er.
Der Vorstoß erfolgt, obwohl Trump vergangene Woche eine 90-tägige Aussetzung der meisten geplanten Globalzölle angekündigt hatte. Bereits im Februar hatte er Zölle von 25% oder mehr auf Arzneimittelimporte ins Spiel gebracht. Laut Finanzminister Scott Bessent könnten diese dennoch zeitnah in Kraft treten.
Die Ankündigung sorgt in der Branche für Unruhe. Zwar haben große Konzerne wie Johnson & Johnson, Eli Lilly und Novartis bereits milliardenschwere Investitionen in den USA angekündigt. Doch Branchenexperten bezweifeln, dass sich komplexe pharmazeutische Produktionsketten kurzfristig und wirtschaftlich sinnvoll verlagern lassen.
Laut einer Umfrage des Biotech-Verbands BIO sind rund 90% der US-Biotech-Firmen bei mindestens der Hälfte ihrer FDA-zugelassenen Produkte auf importierte Komponenten angewiesen. Mit dem Start der Berichtssaison – Johnson & Johnson legt am Dienstag Zahlen vor – richten sich nun die Blicke auf die Reaktionen der Unternehmen.
(Quelle: FirstWord Pharma)
Zusammenarbeit: Schlüssel zur Sicherung des medizinischen Fortschritts
Trotz dieser Herausforderungen müssen Wissenschaft und Pharmaunternehmen weiterhin eng zusammenarbeiten, um die Entwicklung lebensnotwendiger Medikamente sicherzustellen. Dies kann durch verstärkte internationale Kooperationen, alternative Finanzierungsmodelle und verstärkten Austausch zwischen privaten und öffentlichen Institutionen geschehen.
Branchenübergreifende Allianzen sowie verstärkte Investitionen in biotechnologische Start-ups sind umso entscheidender, um Forschungs- und Entwicklungsprozesse flexibel zu gestalten und Engpässe zu vermeiden.
Pharma: Erste Anpassungen von Diversity-Regeln
Novartis und Roche haben mittlerweile ihre Diversity-Regeln in den USA geändert. So argumentiert Roche gegenüber Reuters: „Angesichts dieser Veränderungen in Bezug auf die Rahmenbedingungen im Bereich Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion in den USA (...) werden wir die Verwendung diverser Kandidatenlisten und Auswahlgremien im Einstellungsprozess für alle Positionen in den USA einstellen.“
Roche bezieht sich dabei noch konkreter als Novartis auf die Politik der US-Regierung: „Seit der Veröffentlichung dieser Exekutivanordnungen haben wir unsere Richtlinien und Praktiken eingehend überprüft, um sicherzustellen, dass wir die neuen US-Anforderungen weiterhin erfüllen.“
Die Änderungen betreffen anscheinend, neben der die US-Tochter Genentech, auch alle anderen Unternehmen, die global vertreten sind. Roche begründet das in einem internen Schreiben damit, dass „unsere globalen Programme und Ziele Auswirkungen auf unsere US-Organisationen haben können, wenn wir die neuen Gesetze nicht einhalten.“ Das personalbezogene Zehnjahresziel würde in „Förderung eines integrativen Umfelds, das Menschen zu Höchstleistungen anspornt“ geändert. Bislang wurde es so ausgedrückt, in seiner Belegschaft „die Vielfalt der Weltbevölkerung“ zu spiegeln und eine „Arbeitsumgebung (zu) schaffen, in der sich alle entfalten können.“
Im Februar kündigte GSK an, sich keine Diversitätsziele setzen zu wollen.
Diese Anpassungen haben mittlerweile auch andere Unternehmen vollzogen: z. B. hat die Schweizer Großbank UBS entsprechende Programme beendet. Dass auch Konzerne mit Sitz außerhalb der USA sich den neuen Vorgaben unterwerfen, liegt an der Bedeutung des US-Markts. Im Gesundheitsbereich ist die Rolle der USA besonders groß: Roche hat in 2024 über die Hälfte seines Umsatzes im amerikanischen Markt erzielt. Außerdem sind in Nordamerika rund ein Viertel seiner weltweit 101.000 Angestellten beschäftigt. Für Novartis spielt der US-Markt bezüglich des Umsatz und Beschäftigtenanteils eine ähnlich große Rolle.
Wissenschaft unter Druck: Trumps Einfluss auf Forschung und Industrie
Die Vereinigten Staaten befinden sich in einer Phase des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs – mit weitreichenden Konsequenzen für Wissenschaft, Forschung und Industrie. Während renommierte Professoren das Land verlassen, weil sie die akademische Freiheit bedroht sehen, gerät auch der Pharmasektor durch protektionistische Maßnahmen unter Druck. Zwei Entwicklungen, die auf den ersten Blick getrennt erscheinen, haben eine gemeinsame Ursache: Die Politik von Donald Trump verändert das Umfeld für Wissenschaft und Innovation in den USA – und darüber hinaus.
Flucht aus der Wissenschaft: Forscher kehren den USA den Rücken
Jason Stanley, einer der führenden US-amerikanischen Philosophen, verlässt gemeinsam mit den Historikern Timothy Snyder und Marci Shore die Yale University und geht nach Kanada. Der Grund: Der wachsende politische Druck auf Universitäten, insbesondere seitens der Regierung Trumps.
„Eine Universität lebt von freier Rede. Wenn man nicht mehr frei sprechen kann, ist sie keine Universität mehr“, sagt Stanley im Interview mit ZEIT ONLINE. Der Wendepunkt für ihn war das Vorgehen gegen die Columbia University, der die Regierung drohte, Fördergelder zu streichen, falls sie nicht ihre Nahost-Studien überarbeitet. Für Stanley ein klares Signal: Die Trump-Regierung greift gezielt in akademische Strukturen ein – und die Hochschulen beugen sich aus Angst vor finanziellen Konsequenzen.
„Die Übergriffe der Regierung werden zunehmen, und zwar mit System“, warnt er. Kritische Forschung und abweichende Meinungen könnten zunehmend unterdrückt werden, was die wissenschaftliche Integrität gefährde. Besonders betroffen seien junge Akademiker sowie internationale Studierende, die zunehmend Repressionen ausgesetzt seien.
Trumps Protektionismus trifft die Pharmaindustrie
Doch nicht nur die Wissenschaft, auch die Industrie spürt den Druck der Trump-Regierung. Neue protektionistische Maßnahmen sollen die heimische Wirtschaft stärken, bedrohen aber die transatlantische Zusammenarbeit – insbesondere in der pharmazeutischen Industrie.
Arzneimittel gehören zu den bedeutendsten Warengruppen im Handel zwischen der EU und den USA. 2024 importierten die USA pharmazeutische Produkte im Wert von 233 Milliarden US-Dollar, davon rund zwei Drittel aus Europa. Zölle auf Medikamente könnten nicht nur die Versorgung der Patientinnen und Patienten gefährden, sondern auch die Kosten in die Höhe treiben.
Dr. Claus Michelsen, Chefvolkswirt des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa), warnt: „Keinesfalls sollte das ohnehin fragile Umfeld zusätzlich belastet werden. Statt neue Hürden aufzubauen, braucht es klare politische Signale für investitionsfreundliche Rahmenbedingungen.“ Besonders innovationsfreundliche Märkte, Investitionsanreize für Hightech-Produktion und der Abbau von Bürokratie seien entscheidend, um die hohe Investitionsbereitschaft der Branche zu erhalten.
Wissenschafts- und Innovationsstandorte unter Druck
Die Entwicklungen in den USA zeigen eine bedenkliche Tendenz: Politische Einflussnahme und wirtschaftlicher Protektionismus könnten die USA als führenden Standort für Wissenschaft und Innovation schwächen. Während kritische Denker das Land verlassen, ziehen pharmazeutische Unternehmen Investitionen in anderen Regionen in Betracht.
Jason Stanley sieht darin eine gefährliche Entwicklung: „Trump ist ein Faschist, seine Bewegung ist faschistisch. Die Professoren, die früher gezögert haben, diesen Begriff zu benutzen, haben längst aufgegeben.“ Seine Entscheidung, Yale zu verlassen, solle ein Signal setzen: „Ich will, dass die Leute innehalten und fragen: Warum verlässt jemand eine der besten Universitäten der Welt?“
Während in den USA Forscher um ihre akademische Freiheit kämpfen und Unternehmen ihre wirtschaftlichen Perspektiven neu bewerten, stehen auch Europa und Kanada vor der Herausforderung, attraktive Alternativen zu bieten – sowohl für Wissenschaftler als auch für Investoren.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die USA ihren Innovationsvorsprung halten können oder ob die politische Entwicklung langfristig zu einer Verlagerung von Forschung und Produktion führen wird.
Der massive Eingriff in die US-amerikanische Forschungslandschaft hat nicht nur nationale, sondern auch globale Auswirkungen. Wissenschaft lebt von Vielfalt, Offenheit und internationaler Zusammenarbeit. Die aktuellen Entwicklungen drohen diese Prinzipien zu untergraben und könnten langfristig dazu führen, dass sich das Zentrum der biomedizinischen Innovation aus den USA in andere Teile der Welt verlagert. Europa, Asien und andere forschungsstarke Regionen stehen vor der Herausforderung, entstehende Lücken zu schließen und neue Kooperationsformen zu entwickeln, um den wissenschaftlichen Fortschritt nicht zu gefährden.
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