Forschungslandschaft in den USA: Alles wird auf den Kopf gestellt


Die Wissenschaft in Amerika erlebt krasse Einschnitte, z. B. in der FDA wird vieles umgekrempelt, Mitarbeiter:innen entlassen. Das macht was mit Gesamt-Pharma.

Die Wissenschaft wird umnebelt durch strikte und krasse Verbote und Einschränkungen der Trump-Regierung. (Foto von Luke Stackpoole auf Unsplash)

„Die Professoren sind der Feind“

US-Forscher:innen sind sich sicher: Es geht um Denk- und Forschungsverbote, um die Kontrolle über die Wissenschaft in den USA zu erlangen. Man denke nur an die Aussage von US-Vizepräsident J.D. Vance, der findet, dass „die Professoren der Feind sind.“

Dazu gibt es ein Wissensschafts-Special im Deutschlandfunk: Trump gegen die Wissenschaft (26:33). Das können Sie sich hier anhören.

Alleine schon sind ca. 200 Begriffe gestrichen worden, die u.a. bei Anträgen auf Forschungsgelder nicht enthalten sein dürfen: wie „Frauen“. Eine Gynäkologin, die im Bereich der Brustkrebsforschung tätig ist, ist verzweifelt, weil sie so gar keine Berichte oder über Studienergebnisse schreiben kann, wenn sie das Nomen Frauen nicht verwenden darf.

Forschende wollen sich das nicht bieten lassen. Sie fordern nicht nur zusätzliche Mittel für die wissenschaftliche Forschung, sondern auch Initiativen für Diversität und Inklusion müssen wieder in Kraft gesetzt werden. Außerdem: Die Politik soll sich nicht länger in die Wissenschaft einmischen. Dafür sind sie am Wochenende unter dem Motto Stand up for Science auf die Straße gegangen.

Was bedeutet das für die globale Forschung?

Denn eines ist klar: Der systematische Abbau von Fördermitteln, die Kündigung von Fachkräften und die Einschränkung wissenschaftlicher Begrifflichkeiten gefährden nicht nur die Innovationskraft der USA, sondern beeinflussen auch internationale Kooperationen und den weltweiten Fortschritt in Forschung und Entwicklung.

Und: Die Streichung von Forschungsgeldern in den USA betrifft neben den Universitäten und Forschungsinstituten auch Pharmaunternehmen. Weniger Mittel bedeuten nicht nur weniger Innovation, sondern auch einen Exodus hoch qualifizierter Wissenschaftler:innen, die sich gezwungen sehen, ins Ausland abzuwandern. Dies könnte den wissenschaftlichen Einfluss der USA langfristig schwächen und andere Länder wie China oder Deutschland dazu ermutigen, ihre eigenen Forschungsprogramme gezielt auszubauen.

Konsequenzen für die internationale Zusammenarbeit

Die Wissenschaft lebt vom offenen Austausch über Ländergrenzen hinweg. Wenn jedoch US-amerikanische Forscher:innen ihre Projekte nicht mehr in der gewohnten Weise durchführen oder über bestimmte Themen wie geschlechterspezifische Gesundheitsforschung nicht mehr ungehindert forschen dürfen, könnte dies internationale Kollaborationen erschweren. Andere Forschungseinrichtungen könnten sich gezwungen sehen, alternative Partner außerhalb der USA zu suchen. Dies würde bestehende Netzwerke destabilisieren und möglicherweise zu einer Umverteilung der Forschungszentren führen.

Konsequenzen für die Pharmaindustrie

Für Pharmaunternehmen bedeutet der wissenschaftliche Rückgang in den USA einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Viele große Konzerne sind auf Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen angewiesen, um neue Medikamente zu entwickeln. Werden diese Grundlagen eingeschränkt, könnte dies den gesamten Innovationsprozess verlangsamen. Zudem könnte die restriktive Sprachpolitik in Studienanträgen dazu führen, dass essenzielle Themen wie geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin unter den Tisch fallen – mit potenziell gravierenden Folgen für die Entwicklung personalisierter Therapien.

Zusammenarbeit: Schlüssel zur Sicherung des medizinischen Fortschritts

Trotz dieser Herausforderungen müssen Wissenschaft und Pharmaunternehmen weiterhin eng zusammenarbeiten, um die Entwicklung lebensnotwendiger Medikamente sicherzustellen. Dies kann durch verstärkte internationale Kooperationen, alternative Finanzierungsmodelle und verstärkten Austausch zwischen privaten und öffentlichen Institutionen geschehen. 

Branchenübergreifende Allianzen sowie verstärkte Investitionen in biotechnologische Start-ups sind umso entscheidender, um Forschungs- und Entwicklungsprozesse flexibel zu gestalten und Engpässe zu vermeiden. 

Pharma: Erste Anpassungen von Diversity-Regeln

Novartis und Roche haben mittlerweile ihre Diversity-Regeln in den USA geändert. So argumentiert Roche gegenüber Reuters: „Angesichts dieser Veränderungen in Bezug auf die Rahmenbedingungen im Bereich Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion in den USA (...) werden wir die Verwendung diverser Kandidatenlisten und Auswahlgremien im Einstellungsprozess für alle Positionen in den USA einstellen.“

Roche bezieht sich dabei noch konkreter als Novartis auf die Politik der US-Regierung: „Seit der Veröffentlichung dieser Exekutivanordnungen haben wir unsere Richtlinien und Praktiken eingehend überprüft, um sicherzustellen, dass wir die neuen US-Anforderungen weiterhin erfüllen.“

Die Änderungen betreffen anscheinend, neben der die US-Tochter Genentech, auch alle anderen Unternehmen, die global vertreten sind. Roche begründet das in einem internen Schreiben damit, dass „unsere globalen Programme und Ziele Auswirkungen auf unsere US-Organisationen haben können, wenn wir die neuen Gesetze nicht einhalten.“ Das personalbezogene Zehnjahresziel würde in „Förderung eines integrativen Umfelds, das Menschen zu Höchstleistungen anspornt“ geändert. Bislang wurde es so ausgedrückt, in seiner Belegschaft „die Vielfalt der Weltbevölkerung“ zu spiegeln und eine „Arbeitsumgebung (zu) schaffen, in der sich alle entfalten können.“

Im Februar kündigte GSK an, sich keine Diversitätsziele setzen zu wollen.

Diese Anpassungen haben mittlerweile auch andere Unternehmen vollzogen: z. B. hat die Schweizer Großbank UBS entsprechende Programme beendet. Dass auch Konzerne mit Sitz außerhalb der USA sich den neuen Vorgaben unterwerfen, liegt an der Bedeutung des US-Markts. Im Gesundheitsbereich ist die Rolle der USA besonders groß: Roche hat in 2024 über die Hälfte seines Umsatzes im amerikanischen Markt erzielt. Außerdem sind in Nordamerika rund ein Viertel seiner weltweit 101.000 Angestellten beschäftigt. Für Novartis spielt der US-Markt bezüglich des Umsatz und Beschäftigtenanteils eine ähnlich große Rolle. 

Der massive Eingriff in die US-amerikanische Forschungslandschaft hat nicht nur nationale, sondern auch globale Auswirkungen. Wissenschaft lebt von Vielfalt, Offenheit und internationaler Zusammenarbeit. Die aktuellen Entwicklungen drohen diese Prinzipien zu untergraben und könnten langfristig dazu führen, dass sich das Zentrum der biomedizinischen Innovation aus den USA in andere Teile der Welt verlagert. Europa, Asien und andere forschungsstarke Regionen stehen vor der Herausforderung, entstehende Lücken zu schließen und neue Kooperationsformen zu entwickeln, um den wissenschaftlichen Fortschritt nicht zu gefährden.

Erhalten Sie jetzt uneingeschränkten Zugriff auf alle interessanten Artikel.
  • Online-Zugriff auf das PM-Report Heftarchiv
  • Aktuelle News zu Gesundheitspolitik, Pharmamarketing und alle relevanten Themen
  • 11 Ausgaben des PM-Report pro Jahr inkl. Specials
Mehr erfahren