Für die Herz- und Kreislaufmedizin ist die Digitalisierung immer wichtiger. (Foto von Alexander Sinn auf Unsplash)
Ein Update zur Digitalstrategie (25.4.23)
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach betont: „Digitale Lösungen sind Voraussetzungen für das Wachstum der deutschen Wirtschaft. Auch nach dem Ende des fossilen Zeitalters – für eine der wichtigsten Wachstumsbranchen, dem Gesundheitswesen, gilt dies in besonderem Maße. So werden neue Märkte eröffnet und wir machen bessere Medizin möglich. Zuerst machen wir das elektronische Rezept zur Regel. Dann wird die elektronische Patientenakte für fast alle Alltag. Ärztinnen und Ärzte können so besser behandeln und zukunftsweisende Forschung wird erst dadurch möglich. Wir müssen den Schalter umstellen. Digitalisierung ist Basis einer modernen Medizin. Der Neustart hat hier begonnen.“
So soll 2024 das elektronische Rezept bundesweit zur Regel werden, und die elektronische Patientenakte Alltag in Praxis und Forschung.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder fordert: „Deutschland muss bei der Digitalisierung besser werden und schneller. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung in den Bereichen Mobilität und Gesundheitswesen digitalpolitische Schwerpunkte setzt und jetzt endlich auch die bereits 2003 angekündigten Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte ausgerollt werden. Damit werden einige seit 20 Jahren überfällige Digitalprojekte verwirklicht, die nötige digitale Zeitenwende wird damit allerdings noch nicht erreicht. Dazu müssen wir Gigabit in die Fläche bringen, die Datenverfügbarkeit steigern und die Verbreitung sicherer digitaler Identitäten fördern. Die Bundesregierung muss jetzt noch ehrgeiziger sein, noch schneller – und sie muss sicherstellen, dass die Maßnahmen auch finanziert werden. Wichtig ist dabei, dass wirklich alle Ministerien an einem Strang ziehen und gemeinsam an der Umsetzung der Digitalstrategie arbeiten.“
Digitalisierung von Gesundheitsdaten: Ängste abbauen
Wenn es um die persönlichen Gesundheitsdaten geht, sind viele Menschen sehr vorsichtig. Hier stehen sich Sensibles und Nutzen gegenüber. Neue Projekte sollen Ängste abbauen.
Digital und moderne Medizin
„Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten“, ist Lauterbach bei der Vorstellung seiner Digitalisierungsstrategie am 9. März 2023 überzeugt. Bis Ende 2024 will er die elektronische Patientenakte (ePA) verpflichtend für den Patienten einführen – es sei denn, er widerspricht aktiv (Opt out-Option). Befunde, Röntgenbilder, MRT-Aufnahmen, Impfpass und Medikationspläne sollen in die ePA eingestellt werden; einsehbar für die Patienten selbst und alle Behandlungsbeteiligten.
Den lebensrettenden Informations- und Zeitgewinn durch Digitalisierung, etwa in der Notfallversorgung von Patienten, sehen auch Notfall- und Intensivmediziner wie Prof. Dr. Christian Karagiannidis von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Das DIVI-Präsidiumsmitglied sieht deshalb die ePA und die damit verbundenen Digitalisierungseffekte als wichtigen und längst überfälligen Hebel dafür, dass sich die Versorgung in Deutschland „erheblich und nachhaltig verbessern“ werde.
Der Ausbau des digitalen Behandlungsalltags spare in der Patientenversorgung wertvolle Zeit, meint auch CAEHR-Leiter Prof. Udo Bavendiek: „Dies ermöglicht eine bessere Patientenversorgung unter anderem durch mehr Zeit für das Gespräch und die Untersuchung, also die direkte Interaktion zwischen Arzt und Patient.“ Außerdem sollen Forscher die digital erfassten Daten für neue Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nutzen dürfen. Hier sind andere Länder schon viel weiter als Deutschland, betont er.
Projekt CAEHR
Das digitale Forschungs-Großprojekt CAEHR steht für CArdiovascular diseases - Enhancing Healthcare through cross-sectoral Routine data integration. CAEHR ist eines von sechs Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit des BMBF, die im Jahr 2021 gestartet worden sind. Die Deutsche Herzstiftung als offizieller Partner von CAEHR unterstützt die Erarbeitung neuer digitaler Lösungen.
Bavendiek als klinischer Leiter des Projekts ist überzeugt: „Besonders in einer Notfallsituation profitieren Patienten von der digitalen Vernetzung.“ Deswegen wird sich im Projekt „… auf die sogenannten Schnittstellen konzentriert. Das sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Institutionen im Gesundheitswesen, etwa zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Kliniken.“
Bavendiek ist Oberarzt an der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und sieht Verbesserungsbedarf insbesondere bei der Datenübermittlung: „Die Lösungen, die wir in unserem Projekt finden, sollen dann später bundesweit angewandt werden.“
Dafür erarbeiten die CAEHR-Forscher drei Anwendungsfälle (sog. „Use-Cases“) für neue digitale Strukturen, mit denen der Datenaustausch vorangebracht werden soll:
- Bei der ambulanten Versorgung können durch digitalen interdisziplinären Informationsfluss sowie durch Austausch zwischen Praxen und Herzkliniken Doppeluntersuchungen vermieden und die Behandlung besser aufeinander abgestimmt werden.
- Bei der Notfallversorgung im Rettungswagen können für die Behandlung wichtige Parameter wie Symptome, Herzfrequenz, Blutdruck und EKG direkt in die Notfallambulanz einer Klinik oder CT-Aufnahmen des Patienten aus der Notfallambulanz eines Krankenhauses im ländlichen Raum rasch in ein spezialisiertes Zentrum übermittelt werden.
- Bei der Planung der Rehabilitation kann die Behandlung individueller auf den Patienten zugeschnitten sein, wenn dessen Daten digital für alle Behandler zugänglich sind.
Die Maßnahmen von Lauterbach stoßen nicht nur auf Beifall. In der SZ haben in Leserbriefen viele Ärzt:innen ihren Unmut und Kritik geäußert. Hier zum Nachlesen.
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