Torsten Christann gibt Ihnen was zum Lesen zum Thema Digital Health. (Foto von Marissa Daeger auf Unsplash)
Ihre Entscheidung.
Liebe Leser:innen des PM—Report,
schön, dass wir uns auch heute wieder zusammengefunden haben, um über aktuelle Themen in Digital Health zu sprechen. Wie ich aus den bisherigen Rückmeldungen schließen darf, hat sich hier inzwischen eine wachsende Stammleser:innenschaft etabliert. Das freut mich natürlich außerordentlich – und hat mich auch auf unser heutiges Thema gebracht.
Doch bevor wir einsteigen: Natürlich (bzw. hoffentlich) haben Sie sich freiwillig dazu entschieden, meine Notizen zu lesen, egal ob als Neuzugang oder wiederkehrend – aber heute haben Sie noch eine weitere Entscheidung zu treffen: Lieber „Kurz und knackig“ oder lieber „En Detail“? Für „Kurz und knackig“ dürfen Sie gerne sofort zum entsprechenden Abschnitt weiter unten springen, ich nehme es Ihnen nicht übel. Detail-Liebhaber:innen lesen einfach hier weiter.
En Detail!
Sie haben es so gewollt – machen wir also den berühmten „einen Schritt zurück“: Was treibt Sie an, sich alle zwei Wochen oder zumindest ab und an die Zeit für diese Kolumne zu nehmen? Das würde mich brennend interessieren, denn ich selbst weiß ja nur, was ich mir beim Verfassen denke: Ich möchte aktuelle Ereignisse, Trends und Entscheidungen im Digital Health Bereich informativ und zugleich unterhaltend so aufbereiten, dass Sie am Ende mit neuen Perspektiven auf und einem besseren Verständnis von Digital Health – und: vielleicht sogar mit einem dezenten Schmunzeln auf den Lippen – weiterziehen, bevor wir uns dann zwei Wochen später mit ebendiesem Ziel hier wiedersehen.
Warum? Weil echter Fortschritt – insbesondere in Deutschland, insbesondere bei der Digitalisierung und insbesondere im Gesundheitswesen – insbesondere eins ganz dringend braucht: Gute Entscheidungen – und gute Entscheidungen wollen gut informiert sein. Doch „gut informiert“ ist gar nicht so einfach: Ist das, worüber ich schreibe, für Sie relevant? Welches Vorwissen darf und sollte ich voraussetzen? Möchten Sie sich überhaupt mit dem ausgewählten Thema beschäftigen? Inwiefern betrifft es Sie? Decken sich meine Perspektiven mit Ihren Interessen? Meine Hypothese: Wenn Sie sich in diesem Sinne gut informiert fühlen, finden Sie auch in zwei Wochen wieder den Weg hierher – so etwas wie Lese-Adhärenz.
Apropos Adhärenz – Sie haben den schmerzhaften „Schritt zurück“ überstanden: Was im Kleinen für diese Kolumne gilt, hält auch zunehmend in die Medizin Einzug: Informierte Entscheidungen – aber nicht nur isoliert auf Seiten der Ärzt:innen und Therapeut:innen, sondern insbesondere unter Einbezug der Patient:innen-Interessen. „Shared Decision Making“ (SDM) nennt man das – ein Ansatz, der zunehmend Paradigmen sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Behandlung verschiebt.
Die Kernidee ist simpel: Patient:innen sollen in Behandlungsentscheidungen umfassend und auf Augenhöhe eingebunden werden – eben um die Option zu wählen, die am besten zu ihnen passt. Was sich nicht ändert: Behandler:innen sind und bleiben die medizinischen Expert:innen. Was sich ändert, ist die Rolle und Wahrnehmung der Patient:innen: Sie werden – im Extremfall – von reinen Behandlungs-Empfänger:innen zu expliziten Mitentscheider:innen:
- Sie kennen die verschiedenen Behandlungsoptionen.
- Sie verstehen, was diese Optionen für sie und ihre Therapie bedeuten.
- Sie können eine informierte Entscheidung treffen, wie die Behandlungsoptionen zu ihnen, ihren Werten, Wünschen und Behandlungszielen passen.
Erst letztens habe ich über die neue, mündigere Rolle der Patient:innen in der Behandlungsbeziehung geschrieben, über Patient Empowerment. Shared Decision Making (SDM) ist ein Werkzeug, um ebendies zu erreichen. Aber ist das jetzt nicht doch einfach nur eine zeitgeistliche Entwicklung, die letztlich – ganz ohne einen echten Mehrwert – nur wieder viel Mehrarbeit für das Therapie-Team generiert? Sicher nicht.
SDM wird weltweit ernsthaft untersucht und bereits erfolgreich eingesetzt – z. B. in einem vom Innovationsfonds des G-BA geförderten Programm an der UKSH am Campus Kiel, wo das Programm „Share to Care“ in der Neurologie bereits vollständig implementiert wurde. Oder in Bremen, wo man „Share To Care“ gerade im hausärztlichen Bereich anwendet. Oder an den Unikliniken Augsburg und dem Klinikum der LMU München, wo man SDM in Form von Entscheidungshilfen für Prostatakarzinome etablieren möchte – mit dem klaren Plan einer Ausweitung auf sechs bayerische Universitätskliniken.
Die bisherigen Einblicke sind, nicht nur hierzulande, sehr positiv: Shared Decision Making führt zu besseren Behandlungsentscheidungen, die die Patient:innenziele ganz selbstverständlich miteinbeziehen, die Patient:innensicherheit erhöhen, die Therapie-Adhärenz steigern und so nicht nur den Behandlungserfolg verbessern, sondern auch Aufwand bei den Versorgern reduzieren. Shared Decision Making ist mitnichten eine „esoterische Idee“, sondern ausdrücklich ein evidenz-basiertes Vorgehen mit einem – abhängig vom Programm – umfangreichen Qualifizierungs- und Trainingsrahmen: Bei Share-to-Care z. B. werden systematisch die wichtigsten Akteure im Klinikbetrieb miteinbezogen: Ärzt:innen erhalten im Rahmen des Trainings dediziertes Feedback zu ihren Behandlungsgesprächen und wie sie S2C (besser) einsetzen können, Patient:innen werden multimedial über das Vorgehen informiert, Pflegekräfte werden explizit als Entscheidungshelfer:innen für die Patient:innen (Decision Coaches) positioniert und trainiert und fachübergreifend ebenso wie fachspezifisch werden Informationen zu Evidenzen und Methodik aufbereitet und geteilt.
Kurz und knapp!
Mit Shared Decision Making ist gerade ein weiterer Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Patient:in und Behandler:in im Gange, mit Aussicht auf klare Vorteile: Eine höhere Patient:innensicherheit, bessere Therapie-Adhärenz, einem geringeren Behandlungsaufwand und – fernab von wirtschaftlichen und medizinischen Faktoren: einer Einbeziehung der Wünsche, Werte und Ziele der Patient:innen.
So vielversprechend sich Shared Decision Making „kurz und knapp“ auch anhören mag: Fühlen Sie sich mit diesem Absatz gut genug informiert, um sich für oder gegen dieses Konzept zu positionieren? Genau das ist auch eine der hauptsächlichen Herausforderung beim Shared Decision Making: Wie viele und welche Informationen brauchen Patient:innen für eine gute Entscheidung in welcher Form? Meine Annahme: Eher mehr als weniger.
Ich lese gemeinsam mit der Gruppe „Kurz und Knapp“ jetzt doch noch den Rest dieses Textes und wir sehen uns an dieser Stelle in – diesmal – 3 Wochen wieder, wenn Sie mögen: Ihre Entscheidung.
Die weiteren Digital Health Notizen
- Eine Digitalisierungsstrategie für unser Gesundheitswesen
- ChatGPT – ein Meilenstein für Digital Health?
- Amazon und der Gesundheitsmarkt: Auf dem Weg zu „Prime Health“
- Gesundheitswesen: 70.000 Todesfälle vermeidbar?
- Erster Aufreger zu Digital Health
- FemTech – mein persönlicher Aha-Moment
- Veränderungen im Gesundheitssystem: Und täglich grüßt das Murmeltier
Torsten Christann
Managing Partner bei Digital Oxygen GmbH
Erhalten Sie jetzt uneingeschränkten Zugriff auf alle interessanten Artikel.
- Online-Zugriff auf das PM-Report Heftarchiv
- Aktuelle News zu Gesundheitspolitik, Pharmamarketing und alle relevanten Themen
- 11 Ausgaben des PM-Report pro Jahr inkl. Specials