
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen erwartet mehr Ehrlichkeit von der Politik gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und, dass nicht länger der Eindruck erweckt werde, dass jeder auf alles in beliebigen Umfängen und jederzeit Anspruch hätte. „Wir brauchen Verbindlichkeit. Nicht immer nur für die Ärzte, auch für die Patienten.“ (Foto von TopSphere Media auf Unsplash)
Im Fokus: eine ehrliche Diskussion über Leistungsgrenzen, Effizienzpotenziale und eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.
KBV fordert Klarheit über Finanzierung und Leistungsumfang der GKV
Angesichts der anhaltenden Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine grundlegende Neujustierung des Systems. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen betont, dass nicht ein Einnahmen-, sondern vor allem ein Ausgabenproblem bestehe. Die ambulante Versorgung sei dabei nicht der Kostentreiber – vielmehr verursachten versicherungsfremde Leistungen, etwa für Bürgergeldempfänger, erhebliche Ausgaben. Diese müssten vom Staat getragen werden, findet Gassen.
Gleichzeitig sprach sich der KBV-Vorstand für eine ehrliche Debatte über die Leistungsansprüche im System aus. „Nicht jeder kann jederzeit alles bekommen“, so Gassen. Er regt an, dass Versicherte mit höheren Ansprüchen gegebenenfalls durch angepasste Tarife mehr zahlen sollten. Auch die Krankenkassen selbst müssten effizienter arbeiten: Potenziale sieht die KBV bei der Digitalisierung, Ambulantisierung und den Medikamentenkosten. Zur Einnahmenerhöhung schlug Gassen zweckgebundene Abgaben auf Tabak und Alkohol vor.
Patientensteuerung mit Augenmaß
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister stellt klar, dass eine stärkere Patientensteuerung nicht automatisch zu geringeren Kosten führe – allein schon wegen steigender Arzneimittel- und Diagnostikpreise. Dennoch könne eine gezielte Steuerung helfen, Ressourcen besser zu nutzen. Hausärztliche Praxen seien hierfür besonders geeignet, erklärt er. Ausnahmen solle es unter anderem für chronisch Kranke oder bestimmte Facharztbesuche geben.
116117 als zentrale Steuerungsplattform
Als geeignetes Instrument für die Versorgungsteuerung sieht die KBV die bundesweite Plattform 116117. Diese müsse nun mit staatlicher Unterstützung ausgebaut werden, fordert KBV-Vorständin Dr. Sibylle Steiner. Mit einem geplanten „Praxiszukunftsgesetz“ sollten nicht nur die technische Infrastruktur, sondern auch Investitionen in Digitalisierung und Cybersicherheit gefördert werden.
Regressrisiken und ePA-Einführung bereiten Sorgen
Steiner warnt vor negativen Folgen durch Regressrisiken, etwa im Zusammenhang mit Impfstoffbestellungen. Sie fordert eine Bagatellgrenze von 300 Euro je Quartal und Arztpraxis, um den Verwaltungsaufwand für Wirtschaftlichkeitsprüfungen deutlich zu senken.
Kritik äußert Steiner auch an der schleppenden Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA). Rund ein Viertel der Praxen verfüge noch nicht über das notwendige Softwaremodul. Bei der verpflichtenden Einführung ab Oktober müsse die Telematikinfrastruktur stabil und zuverlässig laufen – sonst drohten Akzeptanzprobleme bei ePA und eRezept.
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