Aufbau einer Omnichannel-Organisation: Datengetrieben und funktionsübergreifend


Damit Omnichannel auch wirklich umgesetzt werden kann, braucht es mehrere Schrauben im Unternehmen — und beizeiten auch Expertise von außen.

Omnichannel bietet das strategische Gerüst, um schrittweise eine vernetzte und kundenorientierte Organisation zu entwickeln. (Foto von JESHOOTS.COM auf Unsplash)

 

So die Erfahrung von Dr. Jan-Uwe Claas, Assoziierter Partner und Interim Manager bei der Interim Management Sozietät F&P Executive Solutions AG.

Omnichannel: Anspruchsvolle Aufgabe

Kunden jederzeit über alle Kanäle mit aktuellen Informationen zu ihren bevorzugten Produkten zu versorgen, ist der Vorteil von Omnichannel. Doch dieser personalisierte Prozess, der den jeweiligen Arzt in seiner Entscheidungsfindung entlang der Customer Journey abholt, erfordert, dass die einzelnen Maßnahmen strategisch aufeinander abgestimmt sind. Dabei haben Außendienstmitarbeiter die anspruchsvolle Aufgabe, die Kommunikation zum Kunden zu orchestrieren und die jeweils geeigneten Kanäle entlang der Customer Journey auszuwählen.

Ein Beispiel: Ein Onkologe, der seine Patienten mit einer spezifischen Tumorerkrankung mit einem neu zugelassenen Medikament behandeln möchte, kann durch eine Omnichannel-Kommunikation gezielt unterstützt werden: Informationen aus aktuellen Studien zur Behandlung dieser Patienten kann für ihn gezielt aufbereitet werden und über eine spezifische Fortbildungsveranstaltung, z. B. Webinare, per „approved“ E-mail oder direkt durch den Mitarbeiter vermittelt werden. Auf diese Weise lernt das Unternehmen viel über die Interessen seiner Kunden und kann andere Ärzte mit ähnlichen Bedürfnissen zielgerichtet selektieren und unterstützen.

Ziel: Nahtlose Integration

Im Idealfall werden beim Omnichannel-Marketing alle relevanten Kanäle nahtlos integriert, um ein konsistentes Marken- und Serviceerlebnis für den Kunden zu schaffen. Der Ansatz ist besonders für Unternehmen geeignet, die Innovationen auf den Markt bringen wollen oder kürzlich gebracht haben, deren Zielkunden spezialisierte Fachärzte sind, und die komplexe, erklärungsbedürftige Produkte mit anspruchsvoller Studienlage vertreiben. Es können z. B. Start-up- oder Mittelstands-Unternehmen sein, die mit einem Spezialaußendienst das Geschäft aufbauen wollen.

Einen Mehrwert bietet Omnichannel-Marketing auch für mittelständische Unternehmen, die ein spezifisches Präparate-Portfolio, z. B. bei Neurologen im Bereich ZNS, besprechen wollen. Im Gegensatz zum klassischen Bewerbungsansatz, bei dem die Prioritäten für die Außendienst-Bewerbung vorgegeben werden und die Gesprächszeit für die Berücksichtigung der jeweiligen Interessen des Arztes oft nicht ausreicht, können beim Omnichannel-Ansatz anhand der vorgeplanten Customer Journey die Touchpoints mit dem Arzt definiert werden. So werden verschiedene Präparate aus dem Portfolio gezielt besprochen. Aus den Rückmeldungen des Arztes kann geschlossen werden, welche Themen rund um das Produkt, zum Beispiel Vergleichsstudien, Wechselwirkungen und Dosierungen, weiter vertieft werden sollten, und ob er an einer Fortbildung wie einem Webinar teilnehmen möchte.

Interim Manager als Begleiter auf Zeit

Omnichannel kann nur dann funktionieren, wenn die Kundeninformationen auf allen Kommunikationskanälen effektiv und vollständig erfasst werden. In vielen Fällen ist hierfür eine technische Systemanpassung erforderlich. Hierbei wird ein Analyse-Tool möglichst kostengünstig in das CRM-System integriert. Auch gilt es, ein praktikables Berichtswesen in Form von KPI-Dashboards zu entwickeln, die auch von Außendienstmitarbeitern gut verwendet werden können. Vielen Mittelständlern fehlen jedoch oft die internen Ressourcen und das Know-how, um die entsprechenden Prozesse aufzusetzen.

Interim Manager und Berater können als Führungskräfte auf Zeit die Transformation begleiten. Dazu zählt unter anderem die technische Einbindung der notwendigen IT-Tools in die ERP-Struktur des Kunden sicherzustellen, als auch das jeweilige Unternehmen hinsichtlich einer passgenauen CRM-Lösung zu beraten. Mitunter kann auch bei der Weiterentwicklung des CRM-Systems inklusive neuer Module, Erweiterungen, Schnittstellen und Auswertungen unterstützt werden.

Notwendig: Zusammenarbeit im ganzen Unternehmen

Neben der technischen Systemanpassung stellt der notwendige Kulturwandel viele Mittelständler vor große Herausforderungen. Und alle betroffenen Bereiche sollten miteinbezogen werden: Vertrieb, Marketing, Medical Affairs, IT, Compliance und Commercial Excellence – letzterer Bereich gewinnt bei Omnichannel massiv an Bedeutung, denn dieser steuert den inhaltlichen Prozess und ist die zentrale Schnittstelle zu den anderen Bereichen.

Neue Commercial-Excellence-Rollen wie zum Beispiel die des Plattform-Managers zur Entwicklung und Analyse der Kanäle sind entstanden. Auch in den anderen Bereichen entstehen neue Rollen, die ein neues, kundenzentriertes Mindset erfordern. Auf der individuellen Ebene müssen Mitarbeitende lernen, mit neuen digitalen Tools zu arbeiten und Führungskräfte sich stärker in die Rolle als Mentor oder Coach entwickeln. 

Es gilt, Verantwortung abzugeben und das eigenverantwortliche und vernetzte Arbeiten der Teams zu fördern. All dies erfordert insbesondere in traditionell aufgestellten mittelständischen Unternehmen einen großen Kulturwandel. Die Unternehmensführung als Signalgeber muss die Mannschaft für diesen Weg gewinnen. Denn Omnichannel bietet das strategische Gerüst, um schrittweise eine vernetzte und kundenorientierte Organisation zu entwickeln.

Bei der Einführung von Omnichannel sollten Unternehmen, die noch wenig Erfahrung mit diesem Ansatz haben, zunächst mit Pilotprojekten beginnen. Wichtig ist die Akzeptanz des Managements, dass ausprobiert und Fehler gemacht werden dürfen.

Auch wenn im Rahmen des Pilotprojekts noch kein perfekt ausgeführtes KPI-Dashboard notwendig ist, sollten folgende zentrale KPIs abgefragt werden:

  1. Die Kundenzufriedenheit mit den gebotenen Informationen mittels standardisierter (online)-Fragebögen, z. B. nach Webinaren oder anderen Interaktionen. Auch follow-up calls am Ende einer Customer Journey sind sinnvoll.
  2. Bei Online-Aktivitäten sollte die Conversion-Rate zu messen sein, z. B. über Klick-Through-Raten bei Online-Kursen zu medizinischen Themen.
  3. Return-on-Investment: Empfehlenswert ist auch, die Pilotprojekte regional aufzusetzen und das Umsatzwachstum der Kernprodukte mit denen in gematchten Vergleichsgebieten ohne Omnichannel-Marketing gegenüberzustellen.

 

Die anderen Themen zu Omnichannel:

 

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Dr. Jan-Uwe Claas

Assoziierter Partner und Interim Manager bei der Interim Management Sozietät F&P Executive Solutions AG

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