
Der EHDS soll die vertrauenswürdige und effiziente Weiterverwendung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten (Sekundärnutzung von Daten) gewährleisten. (Foto von Jaehyun Kim auf Unsplash)
EHDS: Überzeugte Europäische Kommission
Die EU-Kommission ist von ihrer Strategie und dem Start des EHDS am 26. März 2025 überzeugt, denn „mithilfe des EHDS kann die EU das Potenzial eines sicheren Austauschs, der sicheren Nutzung und der Weiterverwendung von Gesundheitsdaten zum Nutzen von Patientinnen und Patienten, Forschenden, Innovatoren und Regulierungsbehörden in vollem Umfang nutzen.“
Die zwei Hauptbereiche des EHDS (Europäischer Gesundheitsdatenraum)
- Primärnutzung von Gesundheitsdaten: Patienten erhalten einen sicheren, grenzüberschreitenden Zugang zu ihren elektronischen Gesundheitsdaten und können diese gezielt mit Gesundheitsdienstleistern teilen.
- Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten: Gesundheitsdaten können unter strengen Datenschutzauflagen für Forschung, Innovation und politische Entscheidungen genutzt werden. Pharmaunternehmen erhalten so einen verbesserten Zugang zu anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheitsdaten.
Bedeutung für die Pharmaindustrie
- Erweiterter Zugang zu Gesundheitsdaten: Durch eine zentrale europäische Dateninfrastruktur können Unternehmen gezielter auf qualitativ hochwertige Daten zugreifen, um Wirkstoffentwicklung, klinische Studien und personalisierte Medizin zu optimieren.
- Effizienzsteigerung in der Forschung: Bessere Datenverfügbarkeit reduziert Kosten und Zeitaufwand für Studien, da sich Patientenkohorten einfacher definieren und analysieren lassen.
- Harmonisierung regulatorischer Prozesse: Einheitliche Standards erleichtern die Marktzulassung neuer Arzneimittel und Gesundheitsprodukte in der gesamten EU.
- Unterstützung der digitalen Gesundheitsversorgung: Der EHDS fördert die Nutzung elektronischer Patientenakten, wodurch Telemedizin und innovative Versorgungskonzepte gestärkt werden.
Datenschutz und Sicherheit
- Der EHDS baut auf bestehenden EU-Rechtsrahmen wie der DSGVO auf.
- Patienten können der Sekundärnutzung ihrer Daten widersprechen.
- Strenge Sicherheitsmaßnahmen verhindern unautorisierte Nutzung oder Rückschlüsse auf individuelle Patienten.
- Interoperabilitätsstandards gewährleisten eine sichere und reibungslose Datenverarbeitung.
Potenzial für die Pharmaindustrie
Insbesondere für die Pharmaindustrie bietet der EHDS neue Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Therapien, effizienter Arzneimittelforschung und besserer Gesundheitsversorgung, betont die EU-Kommission.
Denn Pharmaunternehmen profitieren von besser zugänglichen, qualitativ hochwertigen Gesundheitsdaten, was die Forschung beschleunigt und innovative Therapien ermöglicht. Gleichzeitig wird durch harmonisierte Standards die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gestärkt. Die Pharmaindustrie sollte sich aktiv auf die neuen Möglichkeiten vorbereiten, um das Potenzial des EHDS voll auszuschöpfen, rät die Kommission.
Zwischen Zuversicht und Skepsis
So euphorisch wie die Kommission ist Dennis Geisthardt, der den Digital Hub des vfa leitet, nicht. Er geht davon aus, dass „der Start des EHDS kein digitaler Urknall wird, sondern ein mehrjähriger Prozess des - hoffentlich - koordinierten und gezielten Aufbaus. Seine Strukturen sind jedenfalls lange überfällig und schließen Lücken in unserem Versorgungssystem.“
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder ist positiver gestimmt: „Mit dem EHDS bricht eine neue Ära der Gesundheitsversorgung für die Menschen in Europa an. Patientinnen und Patienten erhalten einen einfachen Zugriff auf ihre eigenen Gesundheitsdaten und eine bessere medizinische Versorgung überall im europäischen Ausland. Gleichzeitig sind große Fortschritte in der Forschung zu erwarten. Ob für die Entwicklung neuer Therapien oder für das Training von Künstlicher Intelligenz in der Medizin: Mit pseudonymisierten Gesundheitsdaten aus Europa sind künftig neue Diagnose- und Behandlungsmethoden in Europa möglich.“
Für ihn ist aber jetzt wichtig, „dass die Umsetzung des EHDS in allen Mitgliedstaaten in gleichem Maße und Tempo vorankommt und es keine nationalen Sonderwege gibt. Insbesondere der in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Digitalisierungsgrad könnte eine reibungslose Umsetzung behindern. Die neue Bundesregierung sollte daher die digitale Transformation des Gesundheitswesens ambitioniert vorantreiben. Die Ausgestaltung des EHDS sollte insgesamt unternehmensfreundlich sein, den Datenschutz der Patientinnen und Patienten wahren und gleichzeitig zusätzliche Bürokratie sowie unnötigen Ressourcenaufwand vermeiden.“
Und da kann Geisthardt einhaken, weil „bislang unklar ist, wie man perspektivisch auch Daten aus medizinischen Registern besser vernetzen und nutzen kann. Eine Möglichkeit bestünde darin, eine zusätzliche nationale Zentralstelle aufzubauen, die dann als sogenannter Health Data Access Body das Ökosystem der Gesundheitsdaten ergänzt und eine internationale Verknüpfung ermöglicht.“
„In Deutschland sind wir mit der Nutzung von Gesundheitsdaten in den letzten Jahren eher schleppend vorangekommen. Das Vorhaben eines Registergesetzes wurde in der der letzten Legislatur nicht mehr umgesetzt. Das muss jetzt geschehen! Dann kommen wir zu nutzbaren Registerdaten, die perspektivisch auch den EHDS komplettieren werden,” so Geisthardt weiter.
Nachgefragt haben wir bei Tim A. Bohlen, Geschäftsführender Gesellschafter Mindact Consulting & Content GmbH, wie er die Situation einschätzt:
„Die nationale und auch die europäische Analyse- und Nutzungsqualität medizinischer Register ist umso höher, je strukturierter und konsistenter Daten aufbereitet sind. Dabei kann die Vernetzung unterschiedlicher Datenquellen hilfreich sein, wenn es ein Master Data Management gibt. Dieses sorgt dafür, dass Daten aus den unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und bei Bedarf bereinigt oder aufbereitet werden.
Ebenso kann ein Master Data Management die Daten in Relation zueinander setzen. Sind diese technischen Voraussetzungen gegeben, dann ist ein europäischer Gesundheitsdatenraum für medizinische Register zu begrüßen. Je mehr Ärzte sich dazu bereit erklären, nach den Standards zu arbeiten und Daten konsequent einzupflegen, desto mehr erhöht sich der Wert für alle langfristig, die auf diese Register zugreifen.
Diese Rückkopplung ist aus unserer Sicht besonders spannend: Erst wenn genug mitmachen und konsistente Daten bereitstellen, entstehen auch echte Mehrwerte. Diese Mehrwerte wiederum können ein Anreiz dazu sein, auf die Register zuzugreifen und deren Wert zu erkennen. Dies wiederum kann zu der Erkenntnis führen, zukünftig mehr und konsequenter die Systeme zu pflegen. Es entstehen direkte Netzwerkeffekte, wenn der Nutzen für jeden Nutzer mit jedem weiteren Nutzer steigt.“
Kernpunkte des EHDS für die Pharmaindustrie
- Bessere Datennutzung: Erleichterter Zugang zu elektronischen Gesundheitsdaten für Forschung und Innovation.
- Effizienzsteigerung: Reduzierte Kosten und schnellere Arzneimittelentwicklung durch optimierte Datenverfügbarkeit.
- Harmonisierung: Einheitliche Standards für Datenverarbeitung und Marktzulassung in der EU.
- Schrittweise Umsetzung: Wichtige Meilensteine von 2025 bis 2034, inkl. regulatorischer Anpassungen.
- Datenschutz & Sicherheit: Strenge Vorgaben der DSGVO, um Missbrauch zu verhindern.
Zeitplan und Meilensteine
- März 2025: Die EHDS-Verordnung tritt in Kraft, beginnend mit der Implementierung nationaler Strukturen.
- März 2027: Verabschiedung wichtiger Durchführungsrechtsakte zur operativen Umsetzung.
- März 2029: Erste vorrangige Datenkategorien (Patientenkurzakten, elektronische Rezepte) werden europaweit ausgetauscht.
- März 2031: Erweiterung auf medizinische Bilder, Laborwerte und Krankenhausberichte.
- März 2034: Drittländer und internationale Organisationen können sich an HealthData@EU beteiligen.
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