Contentanbieter im HCP-Bereich: die Verlage


Die heutigen und auch perspektivisch immer strengeren Regularien ermöglichen Content-Vermarktern aber auch bisher nicht genutzte Potenziale. Ein Mittel der Wahl ist hierbei das Programmatic Advertising.

Verlage werden ihren Content auch immer stärker durch Programmatic Advertising anbieten (müssen). (Foto von Niklas Ohlrogge auf Unsplash)

Eingeschätzt von Daniel Samija, Teamlead Digital Sales im Springer Medizin Verlag 

Wie die jüngste LA-MED Studie zur Mediennutzung der Healthcare Professionals aufzeigt, ist ein Aufwärtstrend bei der Nutzung von Online Kanälen zur Informationsbeschaffung zu verzeichnen. Digitale Angebote werden wohl – alleine schon im Zeichen des Zeitgeistes und immer neueren Endgeräten und Technologien, aber auch einem bevorstehenden Generationenwechsel der Ärzteschaft – Fachzeitschriften und sonstige Offline Kanäle zwar nicht vollends ersetzen, aber doch mit stetig steigender Relevanz dereinst vermutlich „überholen“.

Contentanbieter im HCP-Bereich müssen also schon heute ihr digitales Angebot stetig ausbauen und verbessern, um auch weiterhin den Erwartungen der Zielgruppe an hochwertigem und zielführendem Inhalt ihres Angebots aber auch den z.Zt. recht dynamischen Anforderungen bei der Monetarisierung dieser Inhalte gerecht zu werden.

Bisher erfolgt digitale Werbung im HCP-Umfeld hauptsächlich über klassische Display-Banner und themen- und fachbereichsspezifische Newsletter-Versendungen, jedoch mit einer zusätzlichen Besonderheit für Werbepartner aus dem Pharmabereich – dem Heilmittelwerbegesetz.

Cookie-Tracking ade

Außerdem ist innerhalb der gesamten globalen digitalen Werbeindustrie zur Zeit eine fast schon aufgeregte Umbruchdynamik zu bemerken. Und das nicht erst seit Verabschiedung der DSGVO im Jahre 2018 und etlicher anderer datenschutzrechtlicher Vorgaben seitdem. Vielmehr hat Googles Ankündigung, das sog. 3rd-Party-Cookie-Tracking ab nunmehr final 2024 zu deaktivieren („Cookiecalypse“), ein Umdenken und Neuaufsetzen bisher üblicher Monetarisierungstechnologien bei allen Contentanbietern im Internet zwingend erforderlich gemacht.

Digitale Werbung funktionierte bisher nämlich hauptsächlich über sog. Cookies, also kleine Textdateien, die lokal auf dem Rechner/Browser des Nutzers abgespeichert wurden, sobald dieser eine Webseite aufruft. Diese Cookies dienen dem Sammeln von Daten –  konkret dem Erkennen von Nutzern und deren Nutzungsverhalten.

Unterschieden wird primär zwischen den sog. 1st Party-Daten, die der Webseitenbetreiber sowieso im Zuge von Registrierungs- oder Login-Prozessen vom Nutzer erhält und speichert und den sog. 3rd Party-Daten, die ab nächstem Jahr überhaupt nicht mehr getrackt werden können. Diese 3rd Party-Daten wurden meist von Vermarktungspartnern des Contentanbieters eingesetzt mit dem Ziel, die Nutzer später im Web auch auf anderen Seiten wiederzuerkennen (Customer Journey) und z. B. durch Retargeting erneut mit (gleichen oder ähnlichen) Werbebotschaften ansprechen zu können.  

Der Aktivierung und Nutzung von Cookies müssen Nutzer beim erstmaligen Besuch einer Webseite seit einiger Zeit aktiv zustimmen. Viele Browser haben auch bereits sog. 3rd Party Blocker standardmäßig aktiviert.

Hierdurch wurde das Ausbalancieren immer strengerer datenschutzrechtlicher Anforderungen und das Ausspielen präzise adressierter, personalisierter und somit auch performanterer Werbung in den vergangenen Jahren für alle Beteiligten zu einer immer größer werdenden Herausforderung.

Programmatic Advertising als Potenzial

Diese heutigen und auch perspektivisch immer strengeren Regularien ermöglichen Content-Vermarktern aber auch, bisher nicht genutzte Potenziale, also ihre bereits vorhandenen Daten besser einzusetzen und somit die Monetarisierung ihrer Inhalte signifikant zu verbessern/erhöhen. Ein Mittel der Wahl ist hierbei das Programmatic Advertising.

Im Publikumsbereich schon seit etlichen Jahren als ein stetig steigender Umsatz- und Vertriebskanal etabliert, kommt die datengesteuerte programmatische Werbung nunmehr auch im, zusätzlich durch HWG und andere Vorgaben reglementierten HCP Bereich an und einige Healthcare-Media-Agenturen und Verlage – so auch Springer Medizin – rüsten sich und bieten Werbeflächeninventar künftig auch programmatisch an.

Unter Programmatic Advertising versteht man den Handel digitaler Werbeflächen unter Einsatz softwarebasierter Schnittstellen zwischen Werbekunden und Seitenbetreibern anstelle manueller Methoden wie beim konventionellen Vermarktungsansatz.

Doch wie genau funktioniert das eigentlich? Da die Stellschrauben beim Ausspielen datengesteuerter Werbung mannigfaltig sind, sei die grundlegende Funktionsweise nur skizziert dargestellt:

Ein Werbetreibender oder dessen Media-Agentur richtet die Kampagne in einer Softwareplattform ein, die für den Einkauf digitaler Werbung verwendet wird (DSP – Demand Side Platform) – es werden z. B. Zielgruppe, Budget und andere Kampagnenparameter festgelegt. Die DSP sendet dann Gebotsanfragen an verschiedene angebotsseitige Plattformen (SSP – Supply oder Sell Side Platform), die von Verlagen für den Verkauf ihres Anzeigeninventars genutzt werden. Die SSP antwortet mit Informationen zu verfügbaren AdImpressions und den entsprechenden Preisen in Echtzeit.

Die DSP bucht daraufhin die Kampagne ein und stellt auch die Werbemittel zur Verfügung. Bei Erfüllung aller vorab verhandelten Voraussetzungen (Preis, Laufzeit, Targeting etc.) wird die Kampagne von der SSP aktiviert und ausgeliefert.

Nachdem die Anzeige geschaltet ist, sammelt die DSP Daten zu den Leistungswerten dieser Kampagne und nutzt hieraus gewonnene Erkenntnisse, um in Echtzeit optimieren zu können und so die Zielgruppenansprache noch exakter und personalisierter zu gestalten und letztlich die Gesamteffizienz der Kampagne zu steigern.

So können z. B. verschiedene Werbemittel (-formate) im Rahmen der DCO (Dynamic Creative Optimization) während der Kampagnenlaufzeit getauscht und verschiedenen Nutzern noch personalisierter angezeigt werden.

Mehr Effizienz und Präzision

Programmatic Advertising ermöglicht Werbetreibenden also, ihre Zielgruppen effizienter und präziser zu erreichen. Und das alles vollautomatisiert und in Echtzeit. Sowohl auf Verlags- als auch auf Agentur-bzw. Kundenseite werden etliche, im konventionellen Buchungsprozess manuell erforderlichen Schritte und involvierten Abteilungen durch diese vollautomatisierten Prozesse ersetzt und schonen damit nicht nur auf beiden Seiten Ressourcen, sondern hebeln v.a. „Stolpersteine“ aus, die bisher z. B. zur Verzögerung beim Kampagnenstart führten. 

Vor allem die wesentlich treffsicherere Vorhersagemöglichkeit über Zielgruppen und die Optimierungsmöglichkeiten in Echtzeit nach dem Kampagnenstart ermöglichen eine bessere Skalierbarkeit der Kampagne, die bei manuell eingebuchten Display-Schaltungen nur begrenzt gegeben ist.

Werbebudgets können somit erstmals auch nach dem Aktivieren einer Kampagne durch gezielte Optimierungsmaßnahmen (auf Budget- und Creative-Ebene) besser alloziert werden und der ROAS (return of advertising spend) des Werbekunden wird somit deutlich erhöht.

Der Seitenbesucher und Content-Konsument, um den sich ja letztlich alles dreht, hat hierdurch ein noch besseres Nutzungserlebnis und wird in seinem Content-Konsumbegehr nicht durch unpassende Werbung abgelenkt oder gestört. Dies wiederum zahlt auf eine erste, positive Markenbotschaft und -erinnerung an den Werbepartner ein. Außerdem verweilt der Nutzer künftig vermutlich öfter und länger auf den Seiten des Contentanbieters und sorgt somit für weitere Erkenntnisse zu seinen Interessen und Verhaltensweisen.

Praktische Umsetzung

Der Springer Medizin Verlag ermöglicht seinen Werbepartnern künftig zusätzlich zum bereits etablierten, klassischen Display-Angebot auch den oben skizzierten, automatisiert programmatischen Handel von Display-Inventar an.

Darüber hinaus erhalten unsere digitalen Anzeigenkunden aber auch Zugriff auf unsere sog. DMP (Data Management Platform) und können hierdurch eine nochmals wesentlich präzisere Adressierbarkeit in noch granulareren oder „spitzeren“ Zielgruppen umsetzen. Diese hochspezialisierten Nutzer können im bisher üblichen „Fachbereich-Targeting“ nur potenziell und unter Inkaufnahme von Streuverlusten beim Gesamtbudget in eher generisch zusammengefassten Zielgruppenumfeldern erreicht werden.

Konkret heißt das, dass Werbekunden des Springer Medizin Verlags auf sog. Kohorten (=Zielgruppensegmente) unserer DMP zugreifen können. 

Bei der Kohortenbildung reichert unsere DMP den (enormen) Bestand an bereits vorhandenen 1st Party-Daten (z. B. Internist:in, Alter, Ort, Klinik oder Praxis), die dem Verlag im Zuge der Registrierung seiner Nutzer bereits übermittelt wurden mit Erkenntnissen/Daten zu den spezifischen Interessen (welcher Content wird gelesen?) und den Verhaltensweisen (welche CMEs werden angemeldet?) dieser Nutzer an und führt diese dann in konkret adressierbare Kohorten über.

Dadurch können wir eine noch gezieltere Ansprache hochspezialisierter Nutzer – sogar vor Login – anbieten, statt diese wie bisher nur über Umfelder z. B. der Inneren Medizin oder Onkologie „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu erreichen.

Unsere Werbepartner können somit künftig gezielt Pneumolog:innen, Rheumatolog:innen, Diabetolog:innen oder auch pädiatrische, urologische oder Hämato-Onkolog:innen mit passgenauer Werbung im richtigen Moment und Umfeld erreichen. Je nachdem, welche Form der individuellen Zusammenarbeit zwischen Agentur/Kunde und Verlag vereinbart wurde (sog. Deals), kann hierbei sogar ein vorab bestimmtes Inventarvolumen garantiert werden. Dies führt auf Agentur- und Kundenseite zu besserer Planbarkeit und Aussteuerungsmöglichkeiten der verfügbaren Ad-Impressions und sorgt beim Verlag für fest kalkulierbare Umsatzerlöse.

Es wird sicher noch einige Zeit verstreichen, bis alle Kunden/Agenturen die technischen sowie rechtlichen Voraussetzungen erfüllen und die programmatische Ausspielung digitaler Display-Werbung den konventionellen Media-Buy im Display-Bereich vollends ablöst, aber perspektivisch überwiegen die Vorteile für alle Involvierten und daher arbeiten wir bereits daran, unseren Werbekunden mittelfristig auch unser Newsletterportfolio programmatisch anbieten zu können.

 

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Daniel Samija

Teamlead Digital Sales im Springer Medizin Verlag

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